Kinderhandel in China: Welche Schuld trifft die Eltern?

Kinderhandel in China: Welche Schuld trifft die Eltern?

Entführte Kinder werden auch in die Prostitution verkauft. Foto: Lei Han via Flickr.

Was sich wie eine Horrorgeschichte anhört, ist in China oft Realität: Plötzlich ist das eigene Kind verschwunden. Der Kinderhandel hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Ein Thema, das die Netzgemeinde bewegt.

 

Auch wenn keine offiziellen Statistiken existieren, geht das UN Projekt gegen Menschenhandel von mindestens 20.000 Kindern aus, die jedes Jahr in China entführt und verkauft werden.

 

Das Vorgehen der Kinderhändler

 

Die Händler gehen dabei immer nach einem ähnlichen Prinzip vor. Sie stehlen Kinder aus armen ländlichen Regionen, wo viele Eltern aus Arbeitsgründen ihren Nachwuchs unter der Obhut von Verwandten alleine lassen müssen. Die Entführer setzen die Kinder unter Drogen und drücken sie einer jungen Frau in den Arm, kurz bevor diese in einen Langstreckenbus einsteigt. Bis die Eltern sich auf die Suche gemacht haben, kann ihr Sprössling schon viele Kilometer entfernt sein.

 

Ein Teil der Kinder wird direkt an Paare im wohlhabenden urbanisierten China verkauft, ein anderer Teil zur illegalen internationalen Adoption angeboten. Doch nicht alle Kinder landen in Familien: Jugendliche werden oft in die Prostitution oder zur Fabrikarbeit gezwungen. Andere enden als Auftragsbettler auf der Straße.

 

Dass das Schicksal der entführten Kinder die Netzbürger im Alltag beschäftigt, zeigt der Kommentar von Forist „Niedlich lächeln sss“:

 

Ich habe neulich in einer überfüllten Straße einen erwachsenen Bettler mit zwei Kindern gesehen. Aber die Kinder lagen „schlafend“ auf einem Hocker. Ich weiß nicht, ob das Kinderhandel ist oder nicht. 上次在人口密集的路边看到乞讨的,一个大人带着两个孩子 (...) 但是两个孩子都趴在凳子上"睡着"了。不知道这个是否是被拐卖。

 

Die Mitschuld der Eltern

 

Nicht alle ver- und gekauften Kinder in China werden entführt. Die mit der Ein-Kind-Politik eingeführten Strafzahlungen für Familien, die unerlaubterweise mehr als ein Kind hatten, waren für arme Familien zu hoch und führten dazu, dass Familien in finanziellen Nöten ihren Nachwuchs zum Kauf anboten.

 

Trotz der inzwischen recht strengen Gesetze sind die Profite des Kinderhandels sehr verlockend. Preise für Neugeborene liegen zwischen 4.000 und 12.000 Euro. Für Social Media Nutzer „Mürrischer kleiner MJ“ sind diese Gründe noch nicht zufriedenstellend. Er findet, dass die desinteressierte Öffentlichkeit mit für die Situation verantwortlich ist:

 

Der Ursprung dieser Verbrechen ist die Gleichgültigkeit. Warum sind die Menschen so gleichgültig? 犯罪的根源是冷漠,人为什么会冷漠

 

Engagierte Freiwillige und Eltern kämpfen auf der Website „Baby, komm nach Hause“ gegen diese Gleichgültigkeit an. Die Seite listet die Profile vermisster Kinder. Hier können Eltern die Öffentlichkeit zur Mithilfe aufrufen. Das sieht zum Beispiel so aus:

 

Wir suchen nach einem Kind, geboren im Jahr 2006, verschwunden am 14. April 2014 in Chongqing (…) männlich, er stottert ein bisschen und spricht mit Chongqing-Akzent. Als er zuletzt gesehen wurde, trug er eine rote Jacke, ein rotes, kurzärmeliges T-Shirt und graue Hosen. Nach der Schule haben sie in unserem Viertel Verstecken gespielt und er ist seitdem verschwunden. Großvater Liu Xian Zhi, Vater Liu Cheng, Mutter Xu Yalan.寻找2006年出生2014年4月14日失踪重庆市(...)(男) 说话有点口吃,说重庆话。失踪时身穿红色外套,里穿红色T桖短袖(...),灰色裤子。放学后在小区内玩躲猫猫游戏失踪。爷爷刘贤志,爸刘成,妈徐亚兰

 

Mit dem Einsatz von Social Media wurden bei der Suche nach Kindern bereits Erfolge erzielt. Einige wie der international bekannt gewordene Luo Gang haben tatsächlich den Weg zurück nach Hause gefunden. Ein Mädchen aus der Provinz Zhejiang wurde sogar wieder an ihre Eltern zurückgegeben, da die in sozialen Netzwerken schnell verbreitete Nachricht von der Entführung den Kriminellen einschüchterten.

 

Die Netizens reagieren unterschiedlich auf die Suchanzeigen. Manche zeigen Mitgefühl, andere regen sich über das Verhalten der Eltern auf. Diese Anzeige rief eine besonders heftige Reaktion hervor:

 

Wir suchen ein Baby – im Mai 1992 geboren, Mai 1994 verschwunden in der Wartehalle der Changzhou Bus Station (…) Er hat ein schmales Gesicht und braunes Haar (…) Er war mit seinem Vater auf dem Weg Verwandte zu besuchen und sie mussten in Changzhou umsteigen. Sein Vater ist in der Nähe Wasser kaufen gegangen, seitdem hat er das Kind nicht mehr gesehen. (…)寻找1992年5月生1994年5月失踪常州市长途汽车站候车室门,脸稍瘦、头发微黄 (...)和爸爸探亲在常州 转车,父亲去附近买水,回来后孩子就不见了 (...)

 

User „Ya Ji Xiao Jie Aki“ schreibt hierzu wütend:

 

Ich hasse einfach diese verantwortungslosen Eltern! Es ist deren Vernachlässigung, die den Kinderhändlern die Chance gibt ein Kind zu stehlen! 我真的很恨这些不负责任的父母,都是自己疏忽给了人贩子机会盗走孩子

 

Microblogger „Bruder mit seltsamem Hut und Stil“ ist selbst Familienvater und wundert sich ebenfalls über solches Verhalten. Er schreibt:

 

Mein älteres Kind wird bald fünf, das Jüngere ist drei Jahre alt. Seit sie geboren wurden, waren sie noch nie weiter als 5 Meter von uns entfernt. Die Kinder verstehen das nicht, aber verstehen das etwa die Erwachsenen auch nicht? 我的宝宝大的快5岁,小的三岁,出生至今没离开过我们5米外的范围,孩子不懂大人不懂吗?

 

Allerdings sind die Kleinen auch dann nicht sicher, wenn die Eltern sie kaum aus den Augen lassen. Nicht selten arbeiten sogar Geburtskliniken oder Familienplaner mit den Kriminellen zusammen.

 

Experten vermuten, dass das offizielle Ende der Ein-Kind-Politik im vergangenen November einen Rückgang im Kinderhandel zur Folge haben wird. Die Netizens jedenfalls sind sich einig, dass sowohl die sorgfältige Beaufsichtigung kleiner Kinder durch ihre Eltern wie auch eine aufmerksamere Öffentlichkeit einen wirksamen Beitrag zum Schutz der Kinder leisten können.

 

 

Zum Weiterlesen

 

 

Yong Yang: „Ärztin verkauft Babys – Kinderhandel in China nimmt neue Dimensionen an“ Stimmen aus China, 12.2.2014

 

Felix Lee: „Das blühende Geschäft mit den Kindern“ , Zeit Online, 5.12.2015

 

Till Fähnders: „Blog gegen Kinderhandel“ , Frankfurt Allgemeine Zeitung, 11.2.2011

 

DPA/Reuters: „China gelingt Schlag gegen Babyhändlerring“ ,Welt Online, 28.2.2014

 

Foto: Lei Han via Flickr

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