China im Twitterstil – „Fast & Konfuzius – Mein Versuch, aus China schlau zu werden“

China im Twitterstil – „Fast & Konfuzius – Mein Versuch, aus China schlau zu werden“

Copyright: © Conbook Medien GmbH / Michael Reist.

100 Tage in China mit nur exakt 100 Wörtern pro Tag beschreiben – der Schweizer M. Reist legt einen Reiseführer vor, der besonders die Lesegewohnheiten der Fans von getwitterten Kurztexten bedienen dürfte.

 

Sprachlich bereitete sich der nach eigener Aussage Asientrip-erfahrene Autor mit Hilfe von zwanzig Lektionen Chinesisch auf den Aufenthalt im fernen Osten vor. Streckenweise begleitet von seinem Bruder und einigen Freunden erkundete der Autor Beijing und Pingyao, besuchte drei Wochen lang eine Sprachschule und eine Woche eine Qigong-Schule. Touristische Highlights waren Besuche in Shanghai, Hangzhou, Huangshan sowie Yangshuo, Kunming und Dali. Außerhalb Festlandchinas gab es kurze Abstecher nach Taiwan und Hong Kong.

M. Reist bietet Einblicke in seinen Alltag unterwegs: Er schildert abenteuerliche Ausflüge per Elektrovespa, Bus und Fahrrad, Begegnungen auf der Straße und in Hotels sowie beim Qigong-Üben. Witzig bis überdreht ist die Beschreibung des anstrengenden Sprachenlernens, das der Autor mit Hilfe von Eselsbrücken abwechslungsreicher zu gestalten versucht:

 

Ein Mann wird vom Skorpion gebissen, sackt zusammen und schreit um Hilfe (帮助 = helfen).Tag 37, S. 53.

 

Während Gedächtnisstützen wie diese dem Leser nicht ohne Weiteres erschließen, scheint der Autor gegen Ende des Aufenthalts genug gelernt zu haben, um sich inmitten chinesischer Bekannter wohl zu fühlen:

 

Ich bin überrascht, wie gut die Konversation gelingt. Meine neu gewonnen Freunde sprechen langsam und deutlich und helfen manchmal mit einer Übersetzungs-App. Sie trinken Schnaps, ich hingegen klopfe bei Tee meine ersten chinesischen Sprüche.Tag 95, S. 117.

 

Die kurzen Texte funktionieren besonders da gut, wo Interaktion mit Einheimischen im Mittelpunkt steht, die -ob der sprachlichen Barrieren- genau in der Kürze der Darstellung ihre Vielschichtigkeit erweist:

 

Der Tag versinkt allmählich im Schatten, es verbleibt die Hitze des Tages. Große Melonen-Smoothies zieren die Speisekarte, ich erbitte einen kleinen. „Méi yŏu“. Geht nicht, oder: Vergiss es. Ich antworte unverzüglich: „Yŏu.“ Geht doch. „Méi yŏu.“ „Yŏu.“ „Méi yŏu.“ „Yŏu.“ „Méi yŏu.“ Erst dieser Reigen, hin, her, dann verschwindet sie abrupt. Ich warte auf dem Steinblock. Dann, überraschend, serviert sie einen kleinen Smoothie. Das Beharren mag kleinlich wirken, doch erste Antworten auf alltägliche Fragen lauten oft „Méi yŏu“. Dinge in China zu bekommen ist ein langatmiges Spiel, Ausdauer lohnt sich. Tag 25, S. 41.

 

Weniger gut gelingt die bewusste Reduktion bei Landschafts- oder Stadtbeschreibungen, wo der Leserblick nach den jeweiligen Tagesabschnitten schnell zur Buchmitte und den dort zusammengetragenen Fotografien eilt. Erst mit den Bildern dort verfestigt sich das Vorgestellte zu einem bleibenden Eindruck. Hier hätte das Format sicher davon profitiert, die Bilder den Texten unmittelbar voran zu stellen:

 

Unser eigentlicher Plan, Bambusfloßfahren, erweist sich als kostspielig und zu langweilig. Stattdessen kaufe ich einen Blumenstrauß bei einer kleinen, alten, rechtwinklig gebückt gehenden Dame. Wir machen Selfies. Lachend rückt sie sich das Haar zurecht.Tag 59, Seite 78.

 

 

Gemeinsames Posieren für Selfies in xx © Conbook Medien GmbH / Michael Reist.

Gemeinsames Posieren für Selfies in Yangshuo/Guilin; Foto aus der Buchmitte  © Conbook Medien GmbH / Michael Reist.

 

Die besuchten Orte waren mehrheitlich touristische Ziele, an denen die Ortsansässigen an den Kontakt mit Ausländern gewöhnt sind. Das Buch vermittelt anhand der kurzen Sequenzen, welche Schwierigkeiten Individualreisen in China auch in für den Tourismus erschlossenen Gegenden mit sich bringt. Es führt unmittelbar zu der Erkenntnis, dass selbst minimale Sprachkenntnisse viele Türen öffnen. Anders formuliert: Die sprachlichen Hürden führten beim Autor trotz des festen Willens, sich einzufinden, immer wieder zu einem Gefühl des Fremdseins und -bleibens, auch und gerade dort, wo der Aufenthalt sehr kurz war, wie in Taiwan (16 Tage). Gleichzeitig wirbt das Buch aber auch für das Land, in dem die Freundlichkeit gegenüber Fremden -bei allen Widrigkeiten des Alltags- zum Erkunden einlädt:

 

Die Herzlichkeit und Neugier der Menschen, die ich mit dem Herzen erfahren durfte, wiegt das „Nicht-schlau-geworden-zu-sein“ mehr als auf. Ich brauche nicht „schlau aus dem Land“ zu werden. China ist und bleibt für mich eine geheimnisvolle Schönheit mit Ecken und Kanten, die mich berührt, mich reizt und die ich mit Sicherheit wiedersehen will.Schlussworte, S. 123

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Link zum Verlag/Buch https://www.conbook-verlag.de/buecher/fast-konfuzius/

 

Huashan: Höhenangst und Massenrummel auf dem Heiligen Berg

 

Entspannt unterwegs: Mit Kind und Kegel durch Chengdu

 

Junge Menschen in China, Taiwan und Hongkong: Der Alltag ist bunt!

 

Simone Harre, Menschen in China – Blog

 

 

 

Kategorien: Allgemein, Gesellschaft, Kultur, Tags: , , , , , , , . Permalink.

Ist Ihnen dieser Beitrag eine Spende wert?
Dann nutzen Sie die Online-Spende bei der Bank für Sozialwirtschaft oder über PayPal.
Sicher online spenden über das Spendenportal der Bank für Sozialwirtschaft(nur Überweisung über 1 Euro.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.