Chinas Engagement in Äthiopien – was interessiert chinesische Netizens?

Chinas Engagement in Äthiopien – was interessiert chinesische Netizens?

Mit chinesischer Finanzierung gebaut: Bahnstrecke Addis-Djibouti bei Hohol, (c) wikicommons: tinyurl.com/yas9hgzv

Lange war Äthiopien für Hungersnot, Dürre und vor allem den blutigen Konflikt mit dem Nachbarland Eritrea bekannt. Dass dort seit einigen Jahren die Wirtschaft blüht, ist an vielen vorbei gegangen. Angesichts hoher Wachstumsraten behaupten ausländische Medien: Äthiopien ist das China Afrikas. Auch chinesische Blogger diskutieren darüber.

 

Chinas besonderes Interesse an Afrika ist seit Jahren bekannt. Seit der Jahrtausendwende hat sich das Handelsvolumen zwischen dem Reich der Mitte und dem afrikanischen Kontinent von zehn auf über 200 Milliarden US-Dollar mehr als verzwanzigfacht, die chinesischen Direktinvestitionen sowie die Vergabe von Regierungskrediten zu günstigen Bedingungen nehmen zu. Auch Migration wünscht sich die Kommunistische Partei: Es leben inzwischen über eine Million Chinesen in den 55 afrikanischen Staaten, mehr als 10.000 chinesische Firmen sind hier aktiv. Einige dieser Aktivitäten geschehen im Rahmen des Investitionsprogramms „Neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative“, BRI) der chinesischen Regierung mit einem weltweiten Investitionsvolumen von 900 Milliarden Dollar.

 

Länder der „Neuen Seidenstraße“ (c) Lommes [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons

Länder der „Neuen Seidenstraße“ (c) Lommes [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons

 

Kleines China in Afrika?

 

Äthiopien hat in höherem Ausmaß als andere Länder von der Zusammenarbeit mit China profitiert. China hat beispielsweise stark in den Ausbau der Infrastruktur des Landes investiert. Besonderes Gewicht hat dabei die Prestige-trächtige Bahnlinie von Addis Abeba, Hauptstadt des Binnenlandes Äthiopien, zur Hafenstadt Djibouti, die China für 3,4 Milliarden Dollar mitfinanziert hat. Durch den Zugang zum Meer vereinfachen sich Gütertransporte und kurbeln die Wirtschaft an. Mit jährlichen Wachstumsraten von 8 bis 10 % liegt der Vergleich zum „asiatischen Bruderstaat“ für viele ausländische Medien nahe. Einige spekulieren beispielsweise über die starke kulturelle Identität und lange Nationalstaatstradition, die beide Länder gleichermaßen auszeichnet. Aktuell finden sich auch in politischer Hinsicht Ähnlichkeiten. Seit dem Sturz des kommunistischen Militärregimes in 1991 folgt Äthiopien der Devise: so wenig Demokratie wie nötig, so viel Staatskapitalismus wie möglich. Das Bündnis um die äthiopische Regierungspartei Ethiopian People’s Revolutionary Democratic Front (EPRFD) erhielt bei den Parlamentswahlen vor sechs Monaten glatte 100 Prozent der Stimmen.

 

 Parallele Entwicklungen?

 

Das gegenwärtige Engagement Chinas interessiert die chinesischen Internetnutzer und sie äußern sich über verschiedene Aspekte des bilateralen Verhältnisses. Tianya-User „Yunfeng Technologie CEO Zhang Wei 5“ schließt sich der Nachrichtenseite QUARTZ an mit einer eher realistisch-pragmatischen Sicht auf die Lage des Landes am Horn von Afrika:

 

Äthiopien ist eines der am wenigsten urbanisierten Länder, so ähnlich wie China in den 1980ern mit vielen jungen und gut ausgebildeten Arbeitskräften. Es erscheint sehr gut möglich, dass Äthiopien die nächste wichtige Produktionsstätte Afrikas wird, vor allem nachdem die Produktionskosten in Indien, Vietnam, Bangladesch und anderen Ländern steigen.埃塞俄比亚是城市化程度较低的国家之一,就像是上世纪80年代的中国一样,有着大量年轻且受过良好教育的劳动力,埃塞俄比亚是非洲最有望成为下一个制造业重心的国家 (…)特别是随着印度、越南、孟加拉国等国生产要素成本上升后最有希望能成为下一个全球制造业中心之一

 

 

Tatsächlich sind die Einschätzungen dieses Netizens gar nicht so weit hergeholt. Auch die ehemalige Weltbank-Vizepräsidentin Obiageli Ezekwesili schätzt, dass China immer mehr niedrig bezahlte Arbeitsplätze in Länder wie Äthiopien verlegen wird. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Löhne sich im Land der Mitte in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt haben. So kann ein ungelernter chinesischer Arbeiter mit einem Monatsgehalt von umgerechnet 500 US-Dollar nach Hause gehen, während seine äthiopischen Kollegen sich mit einem Zehntel davon zufrieden geben müssen. Mit seiner zentralen Lage zwischen Asien, Europa und Amerika präsentiert sich Äthiopien nicht nur finanziell, sondern auch geografisch als idealer Standort. Das Land könnte zur nächsten „Fabrikhalle der Welt“ werden.

 

Win-win?

 

Ob das chinesische Engagement nun eigennützig ist oder nicht, die Netzbürger diskutieren über alle möglichen Facetten des Umgangs mit dem fernen Land. Dabei kommen sehr diverse Ansichten zum Ausdruck, die ein unterschiedliches Maß an Reflexionstiefe nahelegen. Kolonial anmutende Überlegenheitsgefühle zeigen sich bei User „Feste, lange Leitung“:

 

Man sollte besonders auf die Anerkennung der Werte achten, denn damit verbunden ist Anerkennung für China und Sehnsucht nach chinesischen Werten! Kulturelle Einflüsse müssen unbedingt ermutigt werden und hoffentlich können (äthiopische) Anführer alle eine chinesische Universität abschließen!特别要注意是价值观上的认同,是对中国和中华文化发自内心的认同和向往!文化影响一定要跟上,希望他们的领导人都是中国的大学毕业!

 

Die vermeintliche eigene kulturelle Überlegenheit spricht auch User „zzbbme“ an, der die Arbeitsmoral vor Ort verbesserungswürdig findet:

 

Das chinesische Modell zu erlernen ist nicht einfach. Äthiopien muss nicht nur etwas über wirtschaftliche Entwicklung lernen, sondern auch die harte Arbeitsweise der ostasiatischen Zivilisation.学习中国模式不容易。埃塞俄比亚不但要学习经济发展,还要学习东亚文明中的勤劳积累。

 

Noch einen Schritt weiter geht Blogger „Kemo und 2017“. Patriarchalisch geprägt erscheint seine Idee, äthiopische Frauen nach China zu holen. Seiner Meinung nach stellen diese Frauen eine ideale Lösung für Chinas Männerüberschuss dar, der dazu beigetragen hat, dass vor allem Niedrigverdiener sich auf dem Heiratsmarkt sehr schwer tun:

 

Äthiopien ist ein Land mit mehr Frauen als Männern. Außerdem sind einheimische Männer in der Regel faul und arbeiten nicht hart, um ihre Familien zu unterstützen. Für äthiopische Frauen ist es ein Konterschlag, einen chinesischen Mann zu heiraten. Daher muss sich jemand, der nach Äthiopien gehen möchte, um eine Frau zu heiraten, nicht um wirtschaftliche Probleme kümmern; in vielen Ländern muss man keinen Brautpreis aushandeln wie in China.埃塞额比亚也是个女多男少的国家 (…) 而且当地男人普遍懒散,不怎么干活养家。对于埃塞俄比亚女性来说,嫁给中国男人是一种逆袭(…). 所以各位想去埃塞俄比亚娶老婆的根本不用担心经济问题,很多国家的婚嫁都不会像中国这样谈价码的。

 

Blogger „Echtes Himmelswolfsschwert“ findet diese Einschätzungen zu kurzsichtig. Er beurteilt die Entwicklungschancen des Landes positiver:

 

Unterschätzt Äthiopien nicht! Das ist auch ein Land mit mehr als 2000 Jahren Geschichte und Zivilisation, das einzige Land, das die Kolonisationswelle auf dem afrikanischen Kontinent überlebt hat.别小看埃塞!这也是一个有两千多年文明历史的国家,是非洲殖民浪潮中唯一的幸存者。

 

Auch Netizen „Langer Stern- Eigentlich Himmel“ sieht die chinesischen Aktivitäten in Äthiopien allgemein in einem kritischeren Licht und hinterfragt, wie nachhaltig das derzeitige Engagement für das Land sein wird:

 

Ich finde, sie sollten pragmatisch und selbstständig sein. Sich auf andere zu verlassen, um Fortschritte zu machen ist nie sicher.我看他们还需脚踏实地,自力更生,靠别人来大跃进不靠谱。

 

Bei beiden Ländern stellt sich die Frage, ob sie ihr sprunghaftes Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren beibehalten können. Aufgrund des Handelsstreits mit den USA lag Chinas Wachstum im Jahr 2017 „nur“ noch bei 6,5 % – was zwar noch nicht wenig ist, aber der niedrigste Stand seit fast 10 Jahren. Äthiopiens Wirtschaft litt 2018 vor allem unter dem Mangel an harter Währung, was die Entwicklung des privaten Sektors lähmt. Bis Äthiopien den gleichen Entwicklungsstand wie das Schwellenland China erreicht hat, wird noch viel Zeit vergehen. Die Entwicklung der Verhältnisse begleiten die chinesischen Netizens jedenfalls aus der Ferne mit ihren persönlichen Ansichten und Beobachtungen.

 

 

Zum Weiterlesen:

 

 

Portal des Chinaprogramms der Stiftung Asienhaus mit Artikeln zur neuen Seidenstraße

 

 

Migration: Chinesen in Afrika

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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