China und Kasachstan: Zwischen Kooperation und Krise

China und Kasachstan: Zwischen Kooperation und Krise

Karte der alten Seidenstraße in Zentralasien, (c) Jori Avlis via Flickr Creative Commons, http://tinyurl.com/glkuwu6

2013 hatte Chinas Staatspräsident Xi Jinping das Konzept der Seidenstraßeninitiative bei einem Besuch in Kasachstan zum ersten Mal vorgestellt. Drei Jahre später protestieren viele Kasachen gegen chinesische Investitionen und Immigration, was heftige Reaktionen unter Chinas Netizens hervorruft.

 

 

Kasachstan gilt als Dreh- und Angelpunkt der neuen Seidenstraßeninitative. Mithilfe von Großprojekten und Investitionen will Peking die alte Handelsroute neu beleben und seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss ausbauen. Großprojekte wie die chinesisch-kasachische Freihandelszone „Khorgos“ oder eine Landreform, die chinesische Investoren begünstigt, Sorgen in China zwar für Euphorie, in Kasachstan aber für Unmut.

 

Umstrittene Landreform

 

Durch die Landreform kann beispielsweise Ackerland für 25 anstatt für 10 Jahre an Ausländer verliehen werden, was zu zahlreichen Demonstrationen in Kasachstan geführt hat. Chinesische Investoren planen, die kasachische Landwirtschaft zu modernisieren und Erzeugnisse sowohl für den inländischen Markt als auch für den großen Bedarf des chinesischen Heimatmarkts zu produzieren.

 

Die chinesische Zeitung „The Observer“ schrieb diesbezüglich:

 

Die Landreform ermöglicht es Chinesen, Land noch länger zu pachten, und wird vermutlich dazu führen, dass mehr chinesische Nachfahren in Kasachstan bleiben werden.土地改革将使中国人能更长时间, (。。。)租赁土地, 这可能会让更多中国人的后代留在哈萨克斯坦

 

Einige Chinesen wie Netizen Du Zhuan können die Reaktion der heimischen Bevölkerung nachvollziehen:

 

Wenn Ausländer nach China kämen und langfristig große Ackerlandflächen pachten würden, würden Chinesen dann anders reagieren?外国人要是到中国长期租用大面积土地,中国人会有不同的反应么?

 

Ein anderer Nutzer sieht das Engagement in Zentralasien ebenfalls skeptisch und warnt vor den Gesundheitsrisiken:
 

Dort befanden sich in der Vergangenheit die Kernwaffentestgebiete der Sowjetunion. Es existiert dort noch schwerwiegende, radioaktive Strahlung. Es ist gefährlich, Agrarprodukte von dort zu essen.那里以前是苏联的核试验场,有严重的核辐射,吃那里的农产品有危险。

 

Empörung und Unterstützung

 

Bei den meisten Chinesen jedoch stoßen diese gegen China gerichteten Proteste auf großes Unverständnis:

 

Kasachstan öffnet sich der ganzen Welt, aber zeigt mit dem kritischen Finger auf China! Sie selbst haben nicht die Mittel, sich zu entwickeln. Ihr Entwicklungsbewusstsein ist erstarrt und dann beschuldigen sie auch noch andere,阿拉木土: 哈是对全世界开放,为什么要把矛头指向中国!自己没能力开发,发展意识僵化,还怪别人。

 

empört sich Internetnutzer „Alamatu“.

 
 
Obwohl sich China selbst nicht gerne in innere Angelegenheiten reinreden lässt, sehen einige Netizens, wie „Patriotischer Bauer“, dies gegenüber anderen Ländern weniger kritisch.
 

Chinas Eintritt in die Welt ist wirklich nicht leicht. Überall trifft man auf Hindernisse. Ein Dank an die Anstrengungen der zentralen Anführer.中国走出去真是艰难处处遇到干扰.中央领导人辛苦了

 
 
Ungleiche Beziehung
 
In den bilateralen Beziehungen mit Kasachstan ist sich China seiner starken Position bewusst. Denn Kasachstan will seine Wirtschaft diversifizieren und neben dem Export von Rohstoffen seine rückständige Landwirtschaft entwickeln. Diese überlegene Position schlägt sich auch in den Kommentaren einiger User nieder.
 

Ach, ursprünglich war dies mal chinesisches Land. Jetzt wo sie hören, dass Chinesen kommen, um Land zu pachten, ist dies natürlich sehr sensibel,唉--本来就是中国的地,现在一听说中国人来租,当然会敏感了。(。。。)

 

teilt Nutzer „Wissen und Ignoranz“ mit und spielt auf die chinesische Qing-Dynastie an, welche einige Teile des heutigen Kasachstans kontrollierte.

 

Ein anderer Netznutzer mit dem Pseudonym „Nomade“ hält sich selbst mit Warnungen und Beleidigungen nicht zurück:

 

Es gibt so viele gute Dinge! Die Kasachen sollten sich gut die Farbrevolutionen der vergangenen Jahre ansehen! Nutzt euer großes Gehirn, um darüber nachzudenken, wer hier die Bösen und wer die Kooperationspartner und Konstrukteure sind!好事多磨!哈萨克人应该好好看看前几年的中亚颜色革命!用你们的大脑想想谁是破坏者谁是合作者建设者!

 
 
Quo vadis Seidenstraßeninitiative?
 
Die Proteste in Kasachstan werfen darüber hinaus die berechtigte Frage auf, welche Strategie China künftig zur erfolgreichen Umsetzung der Seidenstraßeninitiative anwenden sollte. Vorschläge gibt es diesbezüglich auch in der Bevölkerung:

 

Positive Aspekte sollten der Bevölkerung vermittelt werden; so kann man die öffentliche Meinung lenken. Auf diese Weise stärkt man seine Macht der Worte sowie seine weiche Macht (soft power),中国要改变只和外国政府打交道的套路,也要想办法了解和亲近中下层民众,把一件事情好的方面要让民众了解,能适当引导舆论,这个过程,就是增加话语权和增加软实力的过程。

 

rät Nutzer „Kröte“. Noch drastischer formuliert es Netzbürger  „Wuye Zhengyang“:
 

China sollte sich nicht einmischen, sondern von den USA lernen, (…) Falls sich China einmischt, würde die Lokalregierung und die Einheimischen China zur Zielscheibe nehmen…Die beste Lösung ist die Masse anzustacheln und dann zu bekämpfen… Die Lokalregierung kann sie unterdrücken, dann besticht man die Lokalregierung und sie hat keine andere Wahl als sich an China zu wenden….(…)中国不应该介入,而是学习美国,(。。。)中国现在介入,政府和当地人都会把中国当目标。。最好的办法就是挑动群众斗群众。。让当地政府镇压。。收买当地政府。。这样政府只能更靠近中国。。。(。。。)

 

Ob weiche oder harte Macht, es scheint bereits Teil des neuen Selbstverständnisses der Chinesen zu sein, dass China sich im Rahmen der Seidenstraßeninitiative auch verstärkt mit außenpolitischen Strategien auseinandersetzen muss. Doch dies bleibt nicht ohne Gefahren für die gesamte Initiative, wie Weibo-Nutzer „Abdruck der Gewehrmündung“ in den Raum stellt.

 

Die ganze Türkei ist gegen China, eine Menschenmenge in Kasachstan verprügelt chinesische Arbeiter, die Gewalt in Malaysia greift auch auf Chinesen über; kann die Seidenstraßeninitiative so weitermachen?土耳其全国反华,哈萨克斯坦群殴中国工人,马来西亚暴力袭击华人,一带一路,走得下去吗?

 

 
Zum Weiterlesen:

 

Benjamin Triebe, Kasachstan kippt Hilfe für Investoren, Neue Zürcher Zeitung, 7. Mai2016.

 

Aigerim Toleukhanova, Kazakhstan & China: Fear, Loathing and Money, eurasianet.org, 21 Juni 2016.

 
BBC, Kazakhstan’s land reform explained, 28 April 2016.
 
 

Foto: (c) Jori Avlis via Flickr

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