Chinas Investitionen in Myanmar: Protest und Patriotismus

Chinas Investitionen in Myanmar: Protest und Patriotismus

China und Myanmar: Nachbarn, die sich trotz vieler Konflikte wirtschaftlich brauchen. Karte: Mangostar via Wikipedia.

China und Myanmar brauchen sich wirtschaftlich gegenseitig. Jedoch kommt es häufig zu Konflikten, die Chinas Netizens einfach nicht nachvollziehen können.


„In ganz Asien gibt es neben China nur wenige entwickelte Gegenden, wo die Leute vertrauenswürdig sind. Die anderen sind alle skrupellos. Eine bereits unterschriebene Vereinbarung kann beliebig wieder aufgelöst werden“(…) 整个亚洲除了中国跟少数几个发达地方的人是守信的,其他的全部是无赖,签好的合同都可以随便撕掉 , kommentiert ein chinesischer Zeitungsleser das konfliktgeladene Verhältnis von China und Myanmar.

 

In Myanmar, das wegen westlicher Sanktionen zur Zeit der Militärdiktatur (1988-2010) nur mit China Geschäfte machen konnte, regt sich Widerstand gegen die von China finanzierten Großprojekte. Dabei ist China bereit viel Geld in das arme Nachbarland zu investieren: Wirtschaftsverträge im Wert von 8,7 Milliarden Dollar unterschrieb Ministerpräsident Li Keqiang, als er im November 2014 das arme Land im Südwesten Chinas bereiste. Peking hat Interesse, dieses Wirtschaftsengagement im Rahmen seiner Seidenstraßeninitiative weiter auszubauen: Mithilfe von Großprojekten will China neue Märkte erschließen und seinen globalen Einfluss politisch und wirtschaftlich vergrößern.

 

Dass solche Mammutaufgaben zu Konflikten führen können, zeigt sich beim chinesisch-burmesischen Verhältnis. Eines der problematischen Großprojekte ist die Myitsone-Talsperre. Das Joint Venture soll 2017 fertig gestellt werden. Geplant ist, mit einem Großteil der dort gewonnen Energie die chinesische Binnenprovinz Yunnan zu versorgen.

 

Eigentlich hätte das Projekt schon weiter fortgeschritten sein sollen, aber wegen Umweltbedenken und Protesten in Myanmar wurde es immer wieder stillgelegt. Mit Unverständnis reagieren Internetnutzer, wie „Schafskopf Schafshirn“, auf solch massiven Widerstand gegen chinesische Investitionen:

 

Unterentwickelte Länder haben einfach ihre ganz speziellen Probleme. 落后国家是有其自身问题的

 

Die Kupfermine Letpadaung

 

Die Proteste in Myanmar beschränken sich nicht allein auf die Talsperre. Seitdem die chinesische Firma Wanbao Mining an der burmesischen Kupfermine Letpadaung beteiligt ist, kam es dort zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

 

Artisanal Mine near Letpadaung.JPG

Kupfermine Letpadaung in Myanmar. Foto: Jacksontpb via Wikipedia

 

 

Was passierte, fasst die pekingtreue Global Times so zusammen:

 

Die Letpadaung Kupfermine ist eines der größten chinesisch-burmesischen Joint Ventures der letzten Jahre. Nach der Gründung 2012 stand das Projekt unter keinem guten Stern. Immer wieder kam die Arbeit zum Erliegen, begann wieder, nur um dann erneut gestoppt zu werden. Seit November 2012 kam es an der Mine zu großen Protesten. Als am 22. Dezember 2014 die Arbeit zur Vergrößerung der Letpadaung Mine wieder aufgenommen werden sollten, wurde das von der lokalen Dorfbevölkerung ein weiteres Mal verhindert. Mit der Polizei, die für Ordnung sorgen wollte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, bei denen eine Dorfbewohnerin mit einem Kopfschuss getötet wurde. 20 weitere Personen wurden verletzt.莱比塘铜矿... 是近年来中缅合资的大型项目之一,于2012年3月奠基后,却命运多舛,经历着停工、复工、再停工的反复折腾。自2012年11月以来,莱比塘铜矿外发生大规模抗议事件 (…)。2014年12月22日,重新开始扩建工作的莱比塘铜矿再度被当地村民阻拦,并且与维持秩序的警察发生了激烈冲突。结果造成一名当地女性村民头部中枪身亡,另有约20人受伤。

 

Diese Vorfälle und das wiederholte Schließen der Mine lösten in Chinas sozialen Medien lebhafte Diskussionen aus. Westliche Medien urteilten, der Widerstand der Bevölkerung richte sich konkret gegen die Chinesen, die jahrelang die burmesische Militärdiktatur stützen und rücksichtslos auf wirtschaftliche Bereicherung setzen. Rücksichtslos, weil für die Umsetzung des Großprojektes burmesische Bauern ihre Lebensgrundlage – ihr Land – für eine geringe Entschädigung verlieren.

 

Chinas Netzbürger vermuten, dass der Widerstand auf die politischen Umwälzungen zurückzuführen ist. Sie kommen, wie Zeitungsleser „Spaß eine Nachricht zu hinterlassen“, allerdings zu einem unerwarteten Schluss:

 

Myanmar ist nicht einmal vollständig demokratisch, aber schon bricht in dieser Gesellschaft Chaos aus.缅甸的民主还没有到来,社会已经开始分崩离析了

 

Entwicklungshilfe in Myanmar

 

Um die Bevölkerung rund um die Mine zu besänftigen, versprach die Firma Wanbao, mehr in das Gebiet zu investieren und zum Beispiel Straßen, Wasser- und Stromleitungen bauen zu lassen.

 

Dass mit wirtschaftlichem Engagement auch eine Verantwortung einhergeht, sehen Chinas Netizens nicht so. Weibo-Nutzer „ein Messer für Myanmars Norden“, der mit seinem aggressiv-patriotischen Account über 30.000 Follower hat, postet:

 

In der Letpadaung Kupfermine wurde jemand von der burmesischen Polizei getötet mit dem Ergebnis, dass sich tatsächlich die chinesische Firma entschuldigen muss. In einem Land, das gegen alles ist, ist es egal, was China macht. Es ist ja eh falsch. Wenn China nicht mit der Militärjunta kooperiert, ist das falsch. Wenn sie aber versuchen mit dieser die Wirtschaft zu entwickeln und das Leben der Bevölkerung zu verbessern, ist das auch falsch!莱比塘铜矿打死人,是缅甸警察打死人,结果道歉的却是中国企业。在一个逢中必反的国家,中国怎么做,都是错的。不配合军事独裁政权围剿民族武装,中国错了,和军事独裁政权发展经济改善民生,中国又错了!(…)

 

Auch für Netzbürger „qian long wu yong yi long“ ist es unverständlich, dass chinesische Firmen Entwicklungsprojekte in Myanmar unterstützen sollen. Er hält es nur unter einer Bedingung für eine gute Idee:

 

Nur die chinesische Minderheit im Norden von Myanmar zu unterstützen und mit ihnen dort natürliche Ressourcen zu erschließen, wäre eine Win-Win-Situation. Für sie kann man dort Schulen und Krankenhäuser bauen und die Arbeitsmarktsituation verbessern.(…) 只有支持缅北华人,与华人开拓当地资源才能实现共赢。为他们修学校 建医院 开工厂提供就业。(…)

 

Myanmars Demokratisierung

 

Obwohl Chinas Netizens Enteignungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten aus dem eignen Land sehr gut kennen, ist von Mit- oder Verantwortungsgefühl gegenüber der burmesischen Bevölkerung nichts zu spüren.

 

Auch nicht 2012, als der Konflikt zwischen der buddhistischen Mehrheit und einer Minderheit, den Rohingya, in Myanmar erneut eskalierte: Zehntausende der seit 1982 als staatsbürgerschaftslos geltenden Muslime suchten Zuflucht in China.

 

„Es sieht so aus, als wenn auch Demokratien viele Probleme nicht lösen können“看来民主也有很多事情解决不了. , schreibt ein Netizen im Hinblick auf die 2011 begonnenen politischen Veränderungen in Myanmar.

 

„Wo ist denn nun Aug San Suu Kyi? Unternimmt sie nichts, um das zu stoppen?“昂山素季女士现在哪里?没有出手制止吗? , fragt ein anderer, der auf der Weibo-Seite des bekannten Neo-Maoisten Kong Qingdong postet. Er schließt sich damit Kritikern der burmesischen Politikerin an, die ihr vorwerfen, sich nicht genügend für die verfolgte Minderheit einzusetzen.

 

Überhaupt ist die international geachtete Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi KPCh-nahen Kommentatoren ein Dorn im Auge. Zu leicht lassen sich Parallelen zwischen ihr und chinesischen Dissidenten ziehen.

 

Im Sommer 2015 reiste die Politikerin der Nationalen Liga für Demokratie nach China, um ihre pragmatische Haltung gegenüber dem chinesischen Regime zu demonstrieren. Regierungstreuen Internet-Usern ist dies jedoch nicht genug. Sie fragen sich, ob die Volksrepublik grundsätzlich weiterhin wirtschaftlich mit Myanmar zusammenarbeiten sollte. Der Autor und Mitarbeiter des chinesischen Handelsministeriums Mei Xinyu stellte auf seinem Mikroblog zur Debatte:

 

Wenn die Militärjunta die Wahl verliert, dann werden alle im Jahr 1988 von der Militärregierung festgelegten Gesetze abgeschafft. Kann man sich auf jemanden (Anm.: die Nationale Liga für Demokratie), der so an die Macht kommt, verlassen? Können wir weiterhin in Myanmar investieren?(…)若选战大胜,将废除1988年以来军政府制订的所有法律。这样的胜选方,执政能靠谱?我们在缅甸投资能下重注?

 

Woraufhin „Echt total müde“  antwortet:

 

Ganz einfach: Nein.很简单,那就不下注。

 

A Wei 2004“ gibt jedoch zu bedenken:

 

Aung San Suu Kyi kam bereits vor zwei Jahren zur Letpadaung Kupfermine und versprach, die Interessen der chinesischen Seite zu schützen. Beim Besuch in China war sie danach ausgesprochen wohlerzogen.昂山素季前两年就莱比塘铜矿表态维护中方权益,然后访华,在对华态度上已经乖了很多;(…)

 

Trotz der jahrelangen Schwierigkeiten sind die Großinvestitionen für China weiterhin von enormer Bedeutung. Myanmar ist reich an Rohstoffen, von denen China nicht genug haben kann: Kupfer, Erdgas und Wasserkraftreserven.

 

Chinas Regierung hat deshalb kein Interesse daran, im eigenen Land Widerstand an diesen strategisch wichtigen Projekten aufkommen zu lassen. Peking ist es gerade recht, dass öffentliche Diskussionen auf regierungs-freundlichen Seiten geführt werden und zwar von Netizens, die sich Partei- und Vaterlandsliebe aufs Profil geschrieben haben. Wie wichtig das der Regierung ist, vermittelte sie wieder bei der alljährlichen für ein Millionenpublikum ausgestrahlten Neujahrsgala 2016. In der Fernsehshow hieß es im Eröffnungsrap ungeachtet aller Schwierigkeiten in Myanmar:

 

Der Plan zur Seidenstraßeninitiative ist grenzenlos brillant.

 

Chinesische Neujahrsgala 2016 © Screenshot Youtube, 15.02.2016.

Chinesische Neujahrsgala 2016 © Screenshot Youtube, 15.02.2016.

 

 

Zum Weiterschauen

 

 

Zum Weiterlesen:

 

Mirko Woitzik: „Die neue Seidenstrasseninitiative: Pekings Ambitionen kennen keine Grenzen“, Stimmen aus China, 20.01.2016.

 

Zhiqun Zhu: „China’s AIIB and OBOR: Ambitions and Challenges“, The Diplomat, 09.10.2015.

 

Jane Perlez: “With Aung San Suu Kyi’s Rise, China and Myanmar Face New Relationship”, The New York Times, 12.11.2015.

 

Marco Bünte: “Myanmar vor den Wahlen 2015: Der Stand der Reformen”, Heinrich Böll Stiftung, 02.11.2015.

 

Timeline: Reforms in Myanmar”, BBC, 08.07.2015.

 

Ute Köster, Phuong Le Trong, Christina Grein (Hrsg.): „Handbuch Myanmar“, Stiftung Asienhaus, Berlin, 2014.

 

Beitragsbild: Mangostar via Wikipedia.

 

„China matters: Ein Informationsportal für die Zivilgesellschaft“, mit freundlicher Unterstützung durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen

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