Im April 2015 hat die chinesische Regierung zum ersten Mal einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung der Seidenstraßeninitiative veröffentlicht. Mit dieser Initiative soll Chinas regionaler und globaler Einfluss weiter untermauert werden. Doch wie kommt dieses ambitionierte Großprojekt bei Chinas Netzbürgern an?
Die chinesische Seidenstraßeninitiative verfolgt das Ziel, die historische Seidenstraße zwischen Europa und Asien wiederzubeleben. Mit einem Finanzvolumen von 140 Milliarden US-Dollar sollen Energie-, Transport- und Informationswege ausgeweitet bzw. neu gebaut werden.
In China ist dieses Projekt unter dem etwas holprigen Begriff „ein Gürtel, eine Straße一带一路“ bekannt, wobei der Gürtel für den maritimen Zweig und die Straße für die kontinentale Verbindung steht. Diese Bezeichnung hat sich jedoch nur teilsweise im englischen und deutschen Sprachgebrauch durchgesetzt. Nichtsdestotrotz zeigt ein interner Bericht von EU-Botschaftern in Peking, wie ernst dieses Projekt in Europa genommen wird. Darin wird gefordert, eine gemeinsame EU-Strategiepaprier gegenüber China zu erstellen, um eine weitere Spaltung Europas in nationale Interessen zu verhindern.
Auf den Spuren Marco Polos
Im Jahr 2013 hat Staatspräsident Xi Jinping dieses Projekt zum ersten Mal während eines Staatsbesuchs in Kasachstan umrissen. Dort sagte er:
Damit die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und China noch enger, die vertrauensvolle Zusammenarbeit noch tiefgründiger und der Entwicklungsspielraum noch weiter werden, sollten wir innovative Ansätze der Zusammenarbeit verfolgen und gemeinsam den ‚Seidenstraßenwirtschaftsgürtel‘ aufbauen.
为了使我们欧亚各国经济联系更加紧密、相互合作更加深入、发展空间更加广阔,我们可以用创新的合作模式,共同建设“丝绸之路经济带(...)
Seither wurden diese Worte durch den parallelen Aufbau von Finanzierungsfonds konkretisiert. Neben einem eigens eingerichteten Seidenstraßenfonds plant China Ende 2015 die Eröffnung der Asiatischen Infrastrukturinvestment-Bank亚洲基础设施投资银行 (AIIB). Diese wurde bereits zum Politikum, nachdem die USA europäische und asiatische Verbündete, darunter auch Deutschland, vergeblich von einem Beitritt abzuhalten versuchten.
China wird die Welt näher zusammenbringen
Diese neue Anziehungskraft Chinas und seiner Großprojekte beschäftigt nicht nur das Ausland, sondern auch die chinesische Bevölkerung. Während Chinas Staatsmedien wie die Nachrichtenagentur Xinhua bezüglich der Seidenstraßeninitiative bereits von einem bedeutenden Symbol der zivilisatorischen Entwicklung Asiens schreiben, sind die Meinungen unter chinesischen Netizens differenzierter.
Viele Internetnutzer bewundern die Vision und Aufopferungsbereitschaft des chinesischen Präsidenten für seine Bürger. Netzbürger „xiaohuo6469“ aus Harbin schreibt:
Präsident Xi gibt sich ganz dem Land und Volk hin. Er arbeitet energisch daran, Chinas Wirtschaftsentwicklung noch stärker zu machen. 习主席一心为国为民,雷厉风行,为中国经济发展推波助澜。
Netizen „Langdao Sushi“ ist ebenfalls angetan von der Idee, China wieder in den Mittelpunkt des Weltgeschehens zu stellen. Er resümiert:
Die sogenannte ‚Seidenstraßeninitiative’ (…) macht China mit einem Schlag zur Wegkreuzung der Welt.
浪島速恃;所谓“一带一路”(...) 相当于硬生生地把中国变成了世界的街口。
Kommt Zeit, kommt Rat!
Kritischere Töne dringen jedoch auch durch. Internetnutzer „Bürgerunion“ zeigt sich skeptisch gegenüber der aktuellen Regierung und ihrer abstrakten Ideen:
Diese Regierung wird hinsichtlich der Wirtschaft nicht an die Verbesserungen der Vorgängerregierung herankommen (…)Die Seidenstraßeninitiative ist nur ein Konzept.
公民大联盟, 公民大联盟公民大联盟,本届政府经济方面也不会比上届有更大的改善 (...)一带一路只是一个概念
Auch auf der anderen Seite der Meerenge macht man sich keine falschen Hoffnungen angesichts der Großinitiative. Netizen „Frank Chan“ stellt ernüchtert fest:
Grundsätzlich muss man sehen, dass Chinas jetzige Wirtschaftspolitik falsch ist. 基本上,要看现在中国经济政策正不正确
Doch auch hier legen viele Chinesen, egal ob auf dem Festland oder in Taiwan, einen gewissen Realismus an den Tag. Nutzer „Jin Jian“ appelliert:
Zeit ist der allerbeste Beweis, lasst uns abwarten und dann sehen!时间是最好的证明,拭目以待吧
Auch wenn sich die chinesischen Netizens kritischer äußern als die offiziellen Medien, kommt jedoch kaum zur Sprache, dass die Seidenstraßeninitiative erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten wirklich konkretisiert werden kann und durch Konfliktregionen im Mittleren Osten verläuft.
Zum Weiterlesen:
Lisa Krauss: „BRICS-Gipfel in Russland: Chinas Traum von einer neuen Weltordnung“, Stimmen aus China, 02.08.2015
André Kühnlenz, „Pekings Großplan für die Seidenstraße reicht bis Osteuropa und noch weiter“, WeitwinkelSubjektiv.com, 02.04.2015
Rudolf Moritz, „Häfen, Bahnen, Pipelines – China baut mit der neuen Seidenstraße seine Macht aus“, Internationale Politik, Mai-Juni 2015
Rudolf Moritz, China’s Silk Road Initiative Is at Risk of Failure, The Diplomat, 24.09.2015