Ende Juni 2014 stattete Zhang Zhijun, Direktor des Büros für Taiwan-Angelegenheiten des chinesischen Staatsrates, Taiwan einen viertägigen Besuch ab. Der Dialog wird von beiden Seiten als historisch bedeutsam empfunden, denn es ist der erste offizielle Besuch eines Pekinger Regierungsvertreters auf taiwanesischem Boden seit 1949. Aus Sicht der Taiwaner gibt es zahlreiche Stimmen zu hören.
Seit der Peking-freundliche Ma Ying-jeou 2008 das Präsidentenamt übernommen hatte, stieg die Kooperation zwischen beiden Seiten rasant an. Bisher wurden ca. 21 Abkommen unterschrieben, die Wirtschaft, Direktflüge, Touristenverkehr und Studentenaustausch umfassen.
Treffen mit Einheimischen – Erfolgreicher Besuch
Zu den Schwerpunkten seines Besuchs gehörte u.a. der Meinungsaustausch mit der taiwanesischen Bevölkerung. Zhang wolle sich ein reales Taiwan-Bild machen. Dies sei für Blogger Xiao He ein großer Sprung für gegenseitiges Verständnis.
Die Bedeutung (des Besuchs) ist, dass das taiwanesische Volk Chinas Taiwan-Politik direkt von einem Funktionär des Festlandes anhören und seine Bedürfnisse ausdrücken oder Fragen direkt stellen kann. (…) Das ist ein erfolgreicher Durchbruch. (…) Dieser Besuch kann dabei behilflich sein, eine Politik auszuarbeiten, die den Wünschen des Volks entspricht.其意義在於台灣普通民眾可以直接聽大陸官員講對台政策,也可直接把需求或疑問表達出來,(...)這是張志軍訪台極成功的突破。(...)有助於制定更符合民心的政策。
Auf wirtschaftliche Interessen fokussieren
Neben zahlreichen Befürwortern einer weiteren Annäherung beider Seiten wurde der Besuch von Demonstrationen aus der Opposition begleitet. China-Gegner in Taiwan befürchten Einflussmöglichkeiten des kommunistischen Regimes auf die demokratische Inselrepublik durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Peking.
In einer Talkshow warnt Politikwissenschaftler Professor Paul Qu der National Taiwan Normal University vor einer pauschalen Anti-China-Stimmung. Für ihn sei es wichtig, einen Konsens in Taiwan zu finden.
Ich rufe die Regierungspartei Kuomintang und die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei auf, (…) zu einem Konsens zu kommen. Wir sollten nicht immer dagegen sein, wenn es um China geht, sondern uns über das (wirtschaftliche) Interesse Taiwans klar werden.我呼吁国内的蓝绿两党()一定要达成一个共识,千万不能缝中必反,而是要找到台湾的利益点在哪里。
Auf die Frage der Moderatorin, wie sich Taiwan der wirtschaftlichen Verlockung aus Peking stellen solle, antwortet ein anderer Politikwissenschaftler Wei-Feng Huang:
Wenn man Geld verdienen kann, sollte man das tun. Aber wir (…) sollten auch auf die Demokratie bestehen, was wir Zhang Zhijun wissen lassen müssen. (…) Auf keinen Fall sollten wir uns auf einen Kompromiss hinsichtlich Demokratie und Menschenrechte einlassen, denn das kann nicht mit Geld gekauft werden.该攥的还是要攥,但是我们()的对民主的信仰要坚持,而且要让我们的客人了解()我们对民主,基本人权的坚持是没有办法妥协的。也不是用钱可以买得来的。
Forderung nach Platz in der Weltgemeinschaft
Die meisten Länder verfolgen eine Ein-China-Politik und unterhalten aus diesem Grund keine diplomatische Beziehung zu Taiwan. So schließen auch internationale Organisationen wie die UNO die Republik China auf Taiwan aus.* Die taiwanesische Bevölkerung fühlt sich in ihrer Würde verletzt. Anlässlich des Besuchs fordert Chen Changwen, ehemaliger Sekretär der Straits Exchange Foundation das Festland zu mehr Toleranz für Taiwans Volksbewusstsein und Eigenständigkeit in der internationalen Gemeinschaft auf.
Das Festland sollte das taiwanesische Volk respektieren, insbesondere in Bezug auf Taiwans nationale Identität und seine Teilnahme in der internationalen Gemeinschaft. Das Festland sollte aus eigener Initiative diese Hindernisse beseitigen um Taiwans Isolation zu beenden.大陸要更有誠意讓台灣人民感受到尊重,特別是在國際空間與國家認同問題上,主動消除台灣參與國際的障礙,解決被邊緣化困境。
Bei dem Treffen kündigten sowohl die Volksrepublik als auch Taiwan einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit an. Genannt wurden die Einrichtung einer ständigen Vertretungen auf dem jeweiligen Boden und Möglichkeiten von Gefängnisbesuchen – ein Annäherungsversuch auf politischer Ebene. Bisher verfolgten China und Taiwan ausschließlich wirtschaftliche Annäherungen und Kooperation.
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* In einigen Organisationen wie z.B. der WHO ist Taiwan unter dem Namen „Chinese Taipei“ als Beobachter vertreten.
Zum Weiterlesen
Andreas Landwehr: „Proteste gegen ersten offiziellen Besuch aus China in Taiwan“, Südwest Presse, 25.06.2014
„Hoher Besuch aus Peking auf Taiwan“, Neue Zürcher Zeitung, 25.06.2014
Johnny Erling: „Taiwan und China wagen den politischen Dialog“, Die Welt, 11.02.2014