„Geister“ der Vergangenheit: Langer Marsch und Lu Xun

Zwei nahe liegende Jahrestage lassen chinesische Blogger „alter Geister“ beschwören und diskutieren.
Zum einen geht es um den 70. Jahrestag des Endes des „Langen Marsches“ [‚Rückzug‘ der Roten Armee vor den Truppen Chiang Kai-sheks von Zentral- nach Nordchina; heute zentraler Mythos der Kommunistischen Partei Chinas als Symbol für Widerstandsfähigkeit und Stärke] Zum zweiten steht der 70. Todestag des Schriftstellers Lu Xun [gilt als Begründer der modernen chinesichen Literatur im Zuge der anti-traditionalistischen „Vierten-Mai-Bewegung“; Lu Xun kritisierte u.a. den konfuzianischen Elitarismus und eine gesellschaftliche Ethik der Apathie, Unterwürfigkeit und Gefühlskälte] im Mittelpunkt des Interesses.

Im Forum Netease lobt Blogger Gao Jianyu den „heldenhaften und mutigen Geist der Roten Armee“ während des Langen Marsches, von dem auch heute viele Jugendliche angetan seien: „fleißig studieren, hart arbeiten, um das Vaterland noch schöner zu gestalten.“ Selbstloses Heldentum und mutiges Ãœberwinden von Schwierigkeiten, für den Erfolg kämpfen, das ist nach Gao die „Offenbarung“ des Langen Marsches. Dieser Geist dürfe weder vergessen noch weggeworfen werden, er müsse an die jüngeren Generationen weitergegeben werden, damit diese „mit dieser Motivation die Schwierigkeiten auf dem Weg der Entwicklung des Einzelnen, des Landes und des Volkes besiege“ und somit eine noch strahlendere Zukunft erschaffe.
Die Kommentare fallen unterschiedlich aus:
– Gibt es in dieser verkommenen Gesellschaft noch Leute, die sich an diesen Geist der alten Generation erinnern?
– (…) Wir sollen nicht wegen einiger unschöner Dinge in der heutigen Zeit den Erfolg der alten Veteranen von Partei und Revolution vergessen. In der heutigen Zeit sind das nationale Bewusstsein, Volksbewusstsein, Volksgeist, Volksstolz und historische Verantwortung wichtige Bestandteile der nationalen Stärke und einer der entscheidensten Faktoren im internationalen Wettbewerb. (…)
– Wir brauchen auf ewig das Paradies des Geistes, die Reinigung des Geistes
– Im Geist des Langen Marsches konnte man im Streben nach Gerechtigkeit das Verbot zu töten aufbrechen. Arme Leute, für die gerechteste Sache…Gerechtigkeit, um vom Geist des Langen Marsches zu lernen, tötet doch, tötet doch diese korrupten Beamten.
– Wer kann mir sagen, warum der Lange Marsch?
– Das Volk zum Narren halten, Banditen, die abhauen, das nennt man den Langen Marsch
– Jeder normale Mensch sollte wissen, dass es „Geist des großen Abhauens“ heißt
– Langer Marsch [auch: erheben, angreifen, KK], wen habt Ihr denn angegriffen, die Nationalisten haben Euch angegriffen. Ihr Gruppe von Bandidaten seid abgehauen, es heißt „Geist des großes Abhauens“
– Wenn jeder im Geist des Langes Marsches etwas…. machen würde, dann wäre China groß(artig)!
(…)

Ebefalls im Forum Netease würdigt Blogger Ren Gu (Menschental) Lu Xun als den größten Denker in der chinesischen Geschichte, als einzige Quelle in der Wüste eines gedankenleeren Landes. Denn obwohl China viele Erfindungen zuzuschreiben seien, habe es auf dem Gebiet der Denker nach Konfuzius nichts mehr hervorgebracht. Und Konfuzius sei zudem misbraucht worden, um das Volk zu verdummen.
Das heutige China, welches das sozialistische System hochhalte, ein System, was auch von zwei bärtigen Europäern entwickelt worden sei. Ren Gu schreibt weiter, dass Lu Xun nicht zu trennen ist von Ah Qu [der Hauptfigur von Lu Xuns bekannter Geschichte „Die Wahrheit über Ah Qu, die für arrogante, realitätfremde Opfermentalität, Unterwürfigkeit und sadistische Apathie steht]. „Lu Xun ist zu dem vertrautesten Unbekannten geworden, über den wir ab und zu reden (…). Lu Xun ist die „Seele und das Rückgrat Chinas“. „Lu Xun ist seit über 70 Jahren gestorben, seine Gedanken sind auch schon lange tot, das ist ein Unglück für China.“ Der Geist von Ah Qu lebe statdessen leider immer weiter, nicht nur in China, so Ren Gu. Das hätten Lu Xun und Ah Qu wohl nie gedacht. Er selbst habe auch gemerkt, dass er wie Ah Qh sei.
Die Kommentare zu diesem Beitrag:
– In der Tat überschwemmt Ah Q alles. (…)
– China, das ist eine komplette Ausgabe von Ah Q. Es findet immer einer Grund sich zu trösten, es gibt auch viele Schwestern Xiang Lin [ein anderer Charakter aus Lu Xuns Werken, der nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht und so zum Opfer werden „muss“], ihr Lage ist genauso grausam. Was ist nur mit China los? Gibt es wirklich keine Rettung?
(…)
– Ah Q, das ist Psyche, nicht ein Volk. Denn ansonsten gebe es die heutigen gesellschaftliche Enwicklung nicht! Sag mir nicht, dass heute abertausende von Ah Q leben…korrupte und kranke Ah Qs.
– Zu Lu Xuns Zeiten haben die japanischen Imperialisten Chinas besetzt, aber in seinen abertausenden Schriftzeichen ist nicht ein Zeichen, welches die Verbrechen Japans aufdeckt! Gibt es einen Satz über die Leiden des Volkes unter den Tritten der japanischen Generäle? Manche waren Ah Qs, manche waren auf die Nationalisten-Regierung sauer und mit der Politik gegenüber Japan nicht zufrieden, ich verstehe es echt nicht, wenn so jemand als ‚Seeele des Volkes‘ und „Rückgrat des Volkes‘ fungiert, darüber lachen die Japaner doch.
– Wenn er heute noch leben würde,
wäre Lu Xun im Gefängnis
Und Ah Q würde mindestens Stadtparteisekretär sein
– Was ist denn in den Augen Lu Xuns richtig/ok? (…)
– China hat sich so verändert! Wer ist dafür verantwortlich? Nicht irgendjemand, sondern alle Chinesen! (…)
– Im nächsten Leben werde ich nicht wieder Chinese, zu viel Hass, zu viel Leid, zu viel…..
(…)

Zusammengefasst und übersetzt von:
Kristin Kupfer

Quellen:
http://bbs7.news.163.com/board/rep.jsp?b=life&i=410879;
http://bbs7.news.163.com/board/index.html?url=http%3A//bbs7.news.163.com/board/rep.jsp%3Fb%3Djinyusi%26i%3D122865(Zugang am: 21.10.2006)

Kategorien: Archiv bis 2009. Permalink.

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