Gleichberechtigung für Homosexuelle – wie sehen Sie das?

Gleichberechtigung für Homosexuelle – wie sehen Sie das?

Homosexualität ist noch immer ein Tabuthema in der heutigen chinesischen Gesellschaft. Zwar ist sie nicht mehr per Gesetz verboten und wird seit 2001 auch nicht mehr als Geisteskrankheit angesehen, trotzdem trauen sich aus Furcht vor einer gesellschaftlichen Ächtung nur wenige ihre Homosexualität offen zu zeigen. Filme über das Thema oder bekannte homosexuelle Prominente, die eine gesellschaftliche Richtung angeben könnten, gibt es kaum. Das chinesische Gesundheitsministerium geht davon aus, dass es zwischen 5 und 10 Millionen Homosexuelle in China gibt. Andere, wie Li Yinhe, Soziologin und Vorreiterin auf dem Gebiet der Sexualforschung, schätzen die Zahl eher auf 36 bis 48 Millionen. Li Yinhe, die sich unter anderem auch für die Legalisierung von gleichgeschlechtlicher Ehe einsetzt, beschäftigt sich insbesondere mit der gesellschaftlichen Auffassung von Homosexualität in China. Für sie ist deren Ablehnung eine Erscheinung der Moderne.

 

Im alten China galt Homosexualität als relativ akzeptiert, so zeigt es wenigstens die klassische Literatur, und auch eine großangelegte Verfolgung von Homosexuellen, wie sie der Westen aus unterschiedlichen Epochen kennt, hat in China nie stattgefunden. Mit einer von ihr im Jahr 2008 durchgeführten Umfrage wollte Li Yinhe nun herausfinden, wie die öffentliche Meinung wirklich zum Thema Homosexualität steht. Die Umfrage wurde in Großstädten im ganzen Land durchgeführt und ca. 400 Menschen nahmen daran teil.

 

Bei der Frage „Wie ist Ihre Meinung zu Homosexualität“ antworteten 20% der urbanen Chinesen „Das ist völlig OK“, 30% „Ich finde es ein bisschen, aber nicht total falsch“, 40% antworteten „Ich finde es total falsch“ und 10% waren unentschlossen. Vergleicht man die Akzeptanz von Homosexualität in China mit Zahlen aus den USA, so ist sie in China niedriger (USA 43%), eine völlige Ablehnung ist in China allerdings auch um 10% geringer (USA 47%). Das zeigt, dass die öffentliche Einstellung zu Homosexualität in den USA zwei Extreme hat, während sie in China eher ausgeglichen ist.
Die Frage „Gibt es in Ihrem Bekanntenkreis jemanden, der homosexuell ist?“, soll den Visibilitätsgrad von Homosexuellen in der Gesellschaft widerspiegeln. Denn es gibt Homosexualität, ob man sie nun in einer Gesellschaft wahrnimmt oder nicht. In Gesellschaften, die Homosexualität gegenüber eher tolerant sind, ist ihr Visibilitätsgrad hoch, in solchen, in denen sie diskriminiert werden, ist er niedrig. Diese Umfrage zeigt, dass nur 7.5% der Teilnehmer einen Homosexuellen kennen, was veranschaulicht, dass der Visibilitätsgrad von Homosexuellen in Chinas urbanen Leben eher niedrig ist.
Mit der dritten Frage, „Würden Sie mit jemanden befreundet sein, von dem Sie wissen, dass er homosexuell ist?“, soll veranschaulicht werden, wie gutherzig die Chinesen sind. Mehr als 60% der Befragten antworteten, dass sie freundschaftliche Beziehungen aufrechterhalten würden. Lediglich 1/3 der Befragten lehnten es ab, mit einem Homosexuellen befreundet zu sein. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Anzahl derer, die mit Homosexualität völlig einverstanden sind, weit überschritten wird. Es lässt sich also feststellen, dass obwohl eine relativ große Gruppe denkt, Homosexualität sei falsch, diese trotzdem jemandem befreundet sein kann, den sie nicht verstehen und dessen sexuelle Ausrichtung sie nicht gutheißen. Die Prozentzahl ist hierbei deutlich höher als in Hongkong (39%).
Die vierte Frage lautete: „Finden Sie, dass jemand, der sich outet, an einer Schule unterrichten sollte?“. Die Umfrage zeigt, dass hier die Ablehnung etwas größer ist als die Akzeptanz. Somit lässt sich aus den Antworten ein erheblicher Grad an Homophobie und eine diskriminierende Einstellung gegenüber Homosexuellen erkennen. Die fünfte Frage behandelt ebenfalls homosexuelle Lehrer und fragt: „Würden Sie von der Schule eine Lehrkräftewechsel fordern, wenn Sie herausfinden würden, dass der Lehrer ihres Kindes homosexuell ist?“ Die Antworten hier fielen ähnlich aus, wie die in der Frage zuvor. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten vertrat eine diskriminierende Einstellung gegenüber homosexuellen Lehrern, während etwas weniger als die Hälfte diese akzeptierten.

 

Man kann Homosexualität ablehnen, aber darf den Menschen nicht das Leben absprechen

 

Die sechste Frage beschäftigte sich mit Film- und Fernsehproduktionen und Homosexualität und fragte „Finden sie, dass Film- und Fernsehprogramme mit homosexuellem Inhalt im öffentlichen Fernsehen gezeigt werden dürfen?“ Hier bildeten sich wieder zwei grundverschieden, gegensätzliche Lager: 50% waren dafür, mehr als 40% lehnten es ab.
Bei der Frage nach gleichberechtigten Arbeitschancen sprachen sich 91% der Befragten dafür aus. Von allen Gleichberechtigungsrechten von Homosexuellen wird in der Gesellschaft das Recht auf gleichberechtigte Arbeit am stärksten akzeptiert, denn die Chance auf Arbeit ist für den Menschen Grundlage seiner Existenz. Selbst jene Menschen, die Homosexualität ablehnten oder diskriminierten, wollten Homosexuelle nicht ihres Existenzrechts berauben. Sie folgen damit einem allgemeingültigen, moralischem Grundsatz: Man kann Homosexualität ablehnen, aber darf den Menschen nicht das Leben absprechen.
Bei der Antwort auf die Frage „Wie würden Sie damit umgehen, wenn ein Familienmitglied von Ihnen homosexuell wäre?“ waren sowohl Befürworter wie auch Gegner mit jeweils nur 10% in der Minderheit. ¾ der Befragten antworteten „Ich würde ihn tolerieren, würde aber hoffen, dass er sich ändert.“ Bezüglich der Gesetzgebung zur gleichgeschlechtlichen Ehe zeigte sich, dass die Einstellung der urbanen Bevölkerung Chinas doch noch recht konservativ ist. Nicht mal 30% waren für eine solche Ehe, während 70% sie ablehnten. Das Ergebnis dieser Umfrage weicht allerdings stark von dem einer Internetstudie ab, in welcher 60% die gleichgeschlechtliche Ehe befürworteten. Dieser Unterschied gründet sich vielleicht auf einem generellen Gegensatz zwischen Internetbenutzern und der normalen Bevölkerung. Internetnutzung konzentriert sich hauptsächlich auf Gebiete, in denen junge, gebildete und eher wohlhabende Menschen leben. Die Ablehnung von gleichgeschlechtlichen Ehen ist in China etwas höher als in den USA (58%), aber niedriger als in Hongkong (83%). Die Unterstützung von gleichgeschlechtlichen Ehen liegt in China (27%) 10 Prozentpunkte höher als in Hongkong (17%).
Die Frage „Finden Sie, dass Homosexuelle und Heterosexuelle gleichberechtigte Menschen sind?“ bezog sich direkt auf die Vorstellung von Gleichberechtigung. Obwohl mehr Befragte Gleichberechtigung bei der Arbeit befürworteten (Was daran liegt, dass Arbeitsrechte direkt mit Ãœberleben in Beziehung stehen, was etwas sehr Konkretes ist. Die Frage nach allgemeiner Gerechtigkeit ist dagegen eher etwas Abstraktes), hatte wieder einmal die Vernunft Oberhand und es sprachen sich 80% für Gleichberechtigung aus. Nur 15% antworteten, Homosexuelle und Heterosexuelle seien nicht gleichberechtigt.
Es gibt viele Faktoren, die die Meinung zu Homosexualität beeinflussen können. Junge, unverheiratete, gut ausgebildete, urbanisierte Menschen mit hohem beruflichem Status, hohem Einkommen und hoher familiärer Stellung stehen Homosexualität tolerant gegenüber und respektieren diese. Ältere, verheiratete, weniger gut ausgebildete, weniger urbanisierte Menschen mit niedrigem beruflichem Status, niedrigem Einkommen und niedriger familiärer Stellung wiederum sind intoleranter, können Homosexualität weniger respektieren und verhalten sich eher diskriminierend.

 

Die Einstellung der jungen Menschen als Sinnbild für die Zukunft

 

Diese Entdeckung ist äußerst vielversprechend. Denn den größten Einfluss auf die öffentliche Meinung und soziale Ethik haben doch Menschen mit einem hohen sozialen Status. Und die Einstellung der jungen Menschen ist Sinnbild für die Zukunft unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Wir können also nur hoffen, dass sich im Laufe der Zeit die Diskriminierung von Homosexualität durch die Bevölkerung verringert und sich zukünftig überall allmähliche die Gleichberechtigung von Homosexuellen durchsetzen wird.

 

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