Aufgrund der Coronakrise schwächelt der chinesische Arbeitsmarkt, zeitgleich steigt 2020 die Zahl von Chinas Hochschulabsolventen auf ein Rekordhoch. Im Netz berichten Uniabgänger über den schwierigen Einstieg ins Berufsleben.
In China gilt das Jahr 2020 als die „härteste Abschlusssaison aller Zeiten“史上最难毕业季. Aller Voraussicht nach werden etwa 8,74 Millionen Studenten dieses Jahr ihren Hochschulabschluss machen. Das sind knapp 400.000 mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig ist bei kleinen und mittelständischen Unternehmen mit unter 100 Mitarbeitern, aufgrund der Coronakrise, die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern im Vergleich zu 2019 um etwa 60 Prozent gesunken.
Es sind nicht nur mehr Konkurrenten und weniger Stellenangebote, die den Hochschulabsolventen das Leben schwer machen. Viele von ihnen werden nun mit schlechteren Einstellungsbedingungen konfrontiert, seien es geringere Gehälter bis hin zu einer dreimonatigen unentgeltlichen Probezeit– wenn sie überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Denn nicht selten gibt es keine Antwort auf eine Bewerbung, da auf ein und dasselbe Stellenangebot Hunderte von Bewerbungen eingehen.
Der Staat ist sich der kritischen Situation der Hochschulabsolventen bewusst. So setzen sich das Bildungsministerium sowie das Ministerium für Humanressourcen und Soziale Sicherheit dafür ein, diesen bei der Arbeitssuche unter die Arme zu greifen.
Mit den Maßnahmen „fünf Erweiterungen“五扩大 und „zwei Verstärkungen“两强化 soll der Arbeitsmarkt durch Beschäftigungszuschüsse gestärkt werden sowie die Vermittlung von Berufseinsteigern durch Online-Rekrutierung, gesteuert durch u.a. das staatliche Nachrichtenportal People’s Daily, erleichtert werden.
Gefälschte Beschäftigungsquoten von Bildungseinrichtungen
Der geschwächte Arbeitsmarkt macht auch den Bildungseinrichtungen zu schaffen, die geringere Beschäftigungsquoten ihrer Absolventen zu beklagen haben.
Auf Weibo wird unter dem Hashtag #BildungseinrichtungenDürfenAbsolventenNichtZurUnterzeichnungVonArbeitsverträgenZwingen#高校不准强迫毕业生签订就业协议 auf zahlreiche Bildungseinrichtungen aufmerksam gemacht, die ihre Studenten, aus Imagegründen, zur Unterzeichnung von ungewollten oder gar gefälschten Arbeitsverträgen gedrängt haben. Das ging laut Berichten so weit, dass viele Studenten ihre Abschlusszeugnisse nur im Tausch gegen einen unterschriebenen Arbeitsvertrag erhalten haben.
Zahlreiche Hochschulabsolventen schildern im Netz ihre Erfahrungen hierzu. So auch Weibo-Nutzerin „Audrey_Ai“ am 29. Juni 2020:
Auch Netzbürgerin „Eins Gegen Zwei“ teilt ihre Geschichte noch am selben Tag:
Netizen „Kleiner Pudding Liebt Jia Jia“ kritisiert den Kampf um höhere Beschäftigungsquoten in Zeiten der Coronakrise:
Letzten Endes hofft Weibo-Blogger „Kleine Transparente Soziale Störung“ darauf, dass sich dem eigentlichen Problem sobald wie möglich angenommen wird:
Mehr Konkurrenz, weniger Stellenangebote
Im Netz kursieren zuhauf Aussagen wie „ein Abschluss ist gleichbedeutend mit Arbeitslosigkeit“毕业就等于失业.. So teilt Netzbürger „Serienmarathon Dreizehn Kleine Schwestern“ am 23. Mai 2020 seinen Frust mit der Netzgemeinschaft auf Weibo:
Auch unter dem Hashtag #WieBescheidenSindDieDiesjährigenAbsolventen#这届毕业生有多卑微 sind einige Beiträge von Absolventen zu finden, bei denen die Verzweiflung deutlich spürbar ist. Netzbürgerin „Tofupudding Mit Fischreis“ beschreibt am 22. Mai 2020 ihre Sorgen:
Und auch „Schönheit der Blume“ meldet sich am 23. Mai 2020 auf Weibo zu Wort. Ihr geht es mittlerweile nicht mehr darum, die ideale Arbeit zu finden, sondern sich finanziell über Wasser halten zu können:
Aber letzten Endes leiden nicht nur Hochschulabsolventen unter Existenzängsten, wie Netizen „Oberhalb Des Kan Unterhalb Des Kun“ am 30. April 2020 bemerkt:
Stimmen der Hoffnung
Es gibt jedoch nach wie vor Industrien, bei denen Hochschulabsolventen trotz der Coronakrise gute Einstiegschancen haben. Laut dem „Frühjahrsbericht zur Arbeitssuche von Hochschulabsolventen 2020“2020应届毕业生春招求职报告 vom Big Data Forschungsinstitut für Rekrutierungen猎聘大数据研究院 steht die Internetindustrie dabei an vorderster Front. Sie stellt etwa 21,32 Prozent der neuen Arbeitsplätze für Hochschulabsolventen. An zweiter und dritter Stelle folgen die Dienstleistungsindustrie mit 11,51 Prozent und die Konsumgüterindustrie mit 10,91 Prozent.
Berufserfahrung ist bekanntlich ein essentieller Bestandteil, um bei einem Vorstellungsgespräch erfolgreich zu sein. Allerdings nicht bei Weibo-Bloggerin „Zhao Da Zhao“. Wer sich über mangelnde Berufserfahrung Sorgen macht, dürfte von ihrem Erlebnis ermutigt werden. Vor dem Antritt ihrer Stelle hatte sie noch keinerlei Berufserfahrung gesammelt, noch nicht einmal in Form von Praktika. Am 24. April 2020 erzählt sie von ihrem überraschend positiven Vorstellungsgespräch:
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