Die Flagge der Volksrepublik China und die der Sonderverwaltungszone Hongkong Seite and Seite – politisch gibt es immer wieder Differenzen. (Ausschnitt aus https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flagofhk.JPG, Simon Shek, GNU Free Documentation License)
Hongkong erlebte zuletzt eine zunehmende Spirale der Gewalt der seit dem 9. Juni andauernden Proteste. Wenn man sich die Diskussionen im chinesischen Netz ansieht, so findet man allerdings kaum positive Stimmen zu den Protesten, der Blick auf Ausschreitungen und Folgen für den Alltag dominiert.
Seitdem ein Student Anfang November am Rande einer Demonstration unter ungeklärten Umständen in den Tod stürzte, überschlugen sich die Ereignisse. Gewalt ging während der Proteste sowohl von Seiten der Polizei, als auch von Seiten der Demonstrierenden aus, die sich zuletzt unter anderem mit Pfeil und Bogen sowie Steinschleudern bewaffneten.
Der in Hongkong studierte Festlandchinese mit dem Profilnamen „Pioneer1001“ berichtet von seinen Eindrücken über die Entwicklung der Proteste bei seinem jüngsten Besuch in Hongkong im November:
Der Geist von Demokratie und Recht geht immer mehr verloren, (…) die Demonstranten scheinen eine anarchistische Utopie anzustreben (…). Die Zentralregierung hingegen hofft auf ein Verschmelzen von Hongkong und dem Festland (…). Ich denke, dass das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ prinzipiell nicht verkehrt ist, aber in der Praxis sind sowohl Erfolge als auch Mängel sichtbar geworden. 民主法治精神却渐行渐远,文明在“革命”面前不值一提,牺牲在“自由”面前也无关紧要。游行示威者似乎希望创造一个无政府主义乌托邦(充分的西式自由民主),而中央则希望大陆与香港深度融合,香港融入粤港澳大湾区,两者冲突在所难免。在我看来,一国两制的设计并没有重大问题,但是在香港实践的过程中确实有成功之处,但也有许多不足,(…)
Anti-Festlandchinesische Stimmung?
Auf dem Videoportal bilibili.com berichtet eine Festlandchinesin mit dem Profilnamen „Christo“ , die momentan in Hongkong studiert, dass sie den Ausfall des Unterrichts und die zunehmend Festlandchinesen-feindliche Stimmung zum Anlass nahm, um aus Hongkong zurück in die Volksrepublik zu reisen. Sie berichtet von ihrer Angst, auf der Straße mit Kommilitonen in Mandarin zu sprechen und von der angespannten Stimmung kurz vor ihrer Abreise.
Auch Festlandchinesin „Siebzehnter des Granatapfelmonats“ traut sich wegen der angespannten Lage nicht mehr in die Stadt.
Das ist das erste Mal, dass ich mich im Inland um meine persönliche Unversehrtheit sorgen muss. Wenn ich im Ausland Demonstrationen gesehen habe, so habe ich mir das angeschaut, aber nicht weiter beachtet. Jetzt, wo dies mit meinen Mitbürgern passiert, fühle ich Herzschmerz und Blamage. Herzschmerz für jene unglücklich verletzten Bürger und Polizisten. Und Blamage dafür, dass diese Randalierer nun auch zum gleichen Volk wie ich gehören.这是我第一次在国内为自己的人身安全而感到担忧,在国外时候看别人游行只当做看热闹,如今,这种惨剧发生在自己同胞身上才觉得心痛和耻辱。心痛,为那些无辜受伤的民众和警察,耻辱于施暴者居然也跟我出自从一个民族。
Eine gewisse Abneigung der Hongkonger gegenüber Menschen vom Festland indes scheint nicht neu zu sein, zumindest ist dies die Ansicht des Festland-Kantonesen „Leekon“:
Als Kantonesisch sprechender Kantonese war ich vor vielen Jahren einmal in Hongkong. Seitdem wollte ich eigentlich keinen halben Schritt mehr in diese Stadt machen. Das persönliche Überlegenheitsgefühl der Hongkonger und ihre Verachtung gegen Festlandchinesen beschränkt sich wirklich nicht nur auf einen kleinen Teil. Das kommt auch in der Einstellung der Hongkonger gegenüber den Randalierern zum Ausdruck: Gleichgültigkeit und Schaulust aus der Ferne.作为一个说粤语的广东人多年前去过一次香港后,这辈子其实都不想再踏入半步。香港人曾经的自我优越感以及对大陆人的蔑视,真的不是沉默的少数。就好像最近香港市民对暴徒的态度,冷漠,观望。
Leben mit den Protesten
WeChat-Nutzern „Yan Yanyan“, die seit acht Jahren beruflich nach Hongkong pendelt, hat eine andere Sicht von der Lage und berichtet:
Während des Chaos war ich außer für Dienstreisen komplett in der Stadt. Ich möchte gerne einige Dinge klarstellen. Die meisten Hongkonger haben eine Beziehung zu diesem Staat und lieben in einer vernünftigen Weise ihre Stadt und China. Sie organisieren aus eigenem Antrieb heraus viele Aktivitäten, in denen sie die Menschen auffordern, friedlich ihre Stadt zu schützen. Wenn der Verkehr zusammenbricht, finden die Bürger stets allerlei Methoden, an ihren Arbeitsplatz zu kommen und ihre Aufgaben zu erledigen.今年的暴乱发生我基本在香港,并且我是港漂,内地到港8年,比一般港漂幸运的是我家在深圳,我来去自由。 但是暴乱期间除了工作出差和外游我没有离开香港,我必须澄清一些点。香港的绝大部分市民是有国家认知,理智爱港爱国,而且自发地组织很多活动倡议和平爱护香港。交通破坏之际,市民依旧用各种方法赶到工作岗位完成工作。
Diese Chaoten sind auf keinen Fall nur wenige Tausend. Solche Extremisten, die nachts Graffiti schmieren, tagsüber den Verkehr stören und sich abends versammeln, sind verbohrt und gnadenlos.这些动乱分子人数绝对不是几千人,能彻夜在港到处涂鸦,白天出来扰乱交通晚上出来聚众集会的极端分子,不讲理也暴戾。
Ich bin dagegen, dass irgendein Bürger diesen Leuten entgegentritt und sie an ihrem Treiben hindert oder die Konfrontation sucht, um gefährliche Situationen zu vermeiden. Das Rechtssystem in Hong Kong legt vergleichsweise viel Wert auf Menschenrechte. Mit Blick auf die internationalen Stimmen hat die HK-Regierung bisher viel einfach über sich ergehen lassen. Die Polizei ist unzureichend ausgerüstet und auch zum ersten Mal mit einer solch chaotischen Lage konfrontiert, daher scheinen sie ein wenig am Ende zu sein und sich zurückzuhalten. Die Randalierer nutzen auch in einer extremen Weise ihre Menschenrechte aus, um sich selbst zu schützen und andere einzuschränken.我不赞成任何市民去当面劝阻和冲突以免发生危险。香港法制比较尊重人权,政府在考虑国际声音采取了比较隐忍的方式,警察储备不够也从没遇过这么棘手的动乱,所以稍显疲惫与克制。暴徒也极端地利用了所谓的人权来一面倒保护自己干扰他人。
Die letzten beiden Tage waren tatsächlich die bisher chaotischsten, aber es scheint sich die Chance einer Neuausrichtung zu ergeben. Die Bürger Hongkongs müssen geschützt werden, ich unterstütze alle Maßnahmen der Polizei und der Regierung, um die Sicherheit aufrecht zu erhalten und die Proteste einzuschränken.这两天确实是迄今最乱的时刻,但恰恰是整顿的时机。香港市民需要被保护,支持港警和政府一切维护安全抵制暴乱的措施。
Auch der Hongkong-Chinese „Ronald“ will diesen Vorwurf der Gleichgültigkeit und des Stillschweigens, der von vielen vorgebracht wird, nicht auf sich sitzen lassen und wirbt um Verständnis.
Ich bin Hongkonger. Ich glaube, konsequent gemäßigt aufzutreten ist nicht das Gleiche, wie zu schweigen oder schwach zu sein. Ich, sowie meine Familie, Freunde und Kollegen unterstützen die Hongkong-Regierung und die Polizei bei der konsequenten Umsetzung des Gesetzes. Wir glaubten auch stets an die Durchsetzungsfähigkeit der Zentralregierung und daran, dass diese die Lage auflösen kann, auch Demonstrationen hierfür gab es. Aber seine Meinung ruhig zu äußern reicht nicht gegen den Wahnsinn der Jugend. Wenn jemand etwas sagt, wird die Familie gleich mit reingezogen. Wir sind nicht wie diese Studenten, die organisiert sind und nicht auf die Konsequenzen ihres Handelns blicken. Wenn man nicht organisiert ist, ist es sehr gefährlich seine Meinung zu äußern. Ich hoffe sehr, dass alle Chinesen die Situation von uns Bürgern nachvollziehen können. Wir dulden das hier nicht still oder unterstützen es gar, wir haben uns schon geäußert. Aber unsere Stimme verhallt ohne Effekt. (…) Wir werden diese Schlafenden nicht aufwecken können. Wir Hongkonger Bürger können nicht wie unsere Gegner auf Gewalt zurückgreifen. Uns bleibt am 24. November die pro-demokratischen Abgeordneten abzuwählen (…). Ich hoffe auf das Verständnis und die Unterstützung unserer Landesgenossen!我是香港人 我认为温和坚定并不代表沉默和软弱, 我和一众家人朋友和同事都支持香港警察和香港政府严厉执法,一直以来也相信中央的决定和处理游行支持警方也游行过了,可是冷静的表态还是敌不过年轻人的疯狂。只要有人吭声,家人就被牵连,我们不像那帮学生一样有组织做事不考虑后果,在没有组织的情况下表态是非常危险的。 也希望国内的大家能理解一下一般市民的情况 不是纵容也不是宠, 是大家已经表过态 但是效果没有很大 就不想再跟傻子论长短 不想再跟禽兽讲道理, 毕竟我们叫不醒装睡的人。我们香港市民不可能像对方一样用暴力解决问题,现在大家唯一能做的是11月24日投票把泛民议员踢出去还有的就是一直建设 坚守岗位 不掉进暴徒的陷阱里 希望各位同胞能理解和支持
Tatsächlich gewannen pro-demokratische Abgeordnete die Kommunalwahl in Hongkong bei einer hohen Wahlbeteiligung deutlich. Nachdem kurz vor der Wahl die Gewalt mehrfach eskaliert war, gab es bei der ersten großen Demonstration nach der Wahl keine übermäßigen Ausschreitungen.
Ein wirklicher Austausch zwischen den Lagern scheint zumindest hier nicht stattzufinden. Ob das Wahlergebnis somit langfristig zu einer Stabilisierung und Versöhnung führen kann, ist jedoch zweifelhaft.
Zum Weiterlesen:
„Wenn jemand mir die Luft wegnimmt, muss ich kämpfen“ – Interview mit einer Protestierenden in Hongkong
Hongkong im Sommer 2019: Proteste und Plakatkunst
Andrew J. Nathan: How China Sees the Hong Kong Crisis, www.foreignaffairs.com, 30.09.2019.