Die chinesische Regierung fördert Unternehmen, die sich im wirtschaftlich schwachen Westen des Landes niederlassen. Die Provinz Xinjiang liefert Produkte wie Tomaten und Kleidung an westliche Großunternehmen, darunter Kraft Heinz und Disney. Oftmals scheinen diese Exportprodukte von Uiguren in sogenannten Arbeitslagern gefertigt zu werden.
Xinjiang hat sich wirtschaftlich in den letzten Jahren vor allem auf Landwirtschaft und Textilindustrie spezialisiert. Viele Unternehmen dort produzieren Baumwollgarn, Kleidung und Tomatenmark, nicht nur für den heimischen Markt, sondern auch für den Export nach Europa und in die USA. Abnehmer sind unter anderem global agierende Firmen wie Disney und Kraft Heinz. Nach einem aktuellen Bericht der Global Times, einer englischsprachigen Boulevardzeitung auf dem chinesischen Festland, war die Entwicklung in den letzten Jahren sogar so rasant, dass auch der Handelskrieg zwischen den USA und China nicht spurlos an Unternehmen in Xinjiang vorbeiging.
Armutsbekämpfung chinesischer Prägung
Seit 2013 unterstützt die chinesische Regierung verstärkt die wirtschaftlich schwache Provinz in Westchina, in welcher vor allem die muslimische Minderheit der Uiguren lebt. Ziel der zentralstaatlichen Förderung sei es laut der staatlichen Nachrichtenwebseite “Xinjiang Economic News”, die „lokale Wirtschaft zu fördern und den Bauern aus der Armut zu helfen“带动当地经济发展,(…),助推农民脱贫致富.
China sieht in der Region aber auch ein erhöhtes Risiko für islamistischen Terrorismus und Separatismus. Im staatlichen Fernsehen wird dies am Beispiel von Tursun Ayi veranschaulicht. Dort heißt es:
Westliche Medien wie die Zeitung Wall Street Journal berichten jedoch, dass die Produktion von Tomaten und Textilprodukten teilweise in sogenannten Arbeits- bzw. Internierungslagern stattfindet. Millionen von Uiguren sollen laut einem UN-Bericht in Xinjiang interniert sein, weil der chinesische Staat sie allein aufgrund ihrer Minderheitenzugehörigkeit als potentielle Gefährder einstuft. Gerade das vom chinesischen Staatsfernsehen propagierte Unternehmen Hetian Taida machte vor einigen Monaten negative Schlagzeilen, nachdem die US-Sportartikelfirma Badger Sportswear einen Lieferantenvertrag aufkündigte, weil Hetian die Produkte teilweise in gefängnisähnlichen, hochabgesicherten Einrichtungen mit Wachpersonal fertigte.
Ein offenes Geheimnis?
Da die Verwendung von Stichworten wie „Xinjiang und Zwangsarbeit“ in chinesischen (sozialen) Medien als hochsensibel eingestuft wird, sind öffentliche Meinungsäußerungen über Arbeitslager sehr selten. Einer der wenigen Orte, an denen sich chinesische Stimmen zur Lage in Xinjiang finden, ist die Epoch Times, eine mehrsprachig erscheinende und von Auslandschinesen herausgegebene Zeitung mit Sitz in New York. Diese gilt als rechtsgerichtet sowie als sehr voreingenommen gegenüber China und der Kommunistischen Partei. Ein User kommentiert dort zur Frage der Arbeitslager beispielsweise:
Ein anderer erzählt von einer persönlichen Erfahrung mit Arbeitslagern:
Einen noch direkteren Kommentar zu Arbeitslagern schreibt dieser anonyme Nutzer, wieder unter einem Artikel der Epoch Times:
Die Staatsführung nennt die Lager in Xinjiang offiziell „Ausbildungszentren“. Die US-Sportartikelfirma „Badger Sportswear“ ist anderer Meinung und hat sich deshalb aus Xinjiang zurückgezogen. Zu den Konsequenzen dieser Vorgehensweise äußert sich ein anonymer Netizen auf der chinesischsprachigen Version der US-amerikanischen Nachrichtenwebseite Voice of America wie folgt:
Insgesamt bleib festzuhalten, dass es die schwierige Informationslage nicht erlaubt, eine klare Schlussfolgerung zu ziehen. Die Arbeitslager spielen in Xinjiangs wirtschaftlicher Entwicklung vermutlich eine prominentere Rolle als zuvor gedacht und die Problematik scheint zumindest chinesischsprachigen Netizens bekannt zu sein, welche die VOA und Epoch Times lesen. Was Chinesen im Inland darüber denken, bleibt nach einer Analyse (sozialer) Medien in China jedoch im Verborgenen.
Zum Weiterlesen
Eva Dou und Chao Deng: Western Companies Get Tangled in China’s Muslim Clampdown, Wall Street Journal, 16.5.2019
Matthias Kamp: Provinz Xinjiang: Welches Unternehmen will schon in ein riesiges Gefängnis investieren?, Neue Zürcher Zeitung, 5.7.2019
Vanessa Steinmetz, Reuters, AP: China nennt Internierungslager für Uiguren „freie Berufsausbildung“, Spiegel Online 16.10.2018
Chris Buckley und China Said It Closed Muslim Detention Camps. There’s Reason to Doubt That, The New York Times, 09.08.2019