Ende Juni 2017 zogen sich die drei besten Tischtennisspieler Chinas vom nationalen Meisterschaftsturnier zurück. Sie protestierten gegen die Versetzung des Nationaltrainers und forderten damit das chinesische Sportsystem heraus. In den sozialen Netzwerken schwanken die Meinungen zwischen Unterstützung und harter Ablehnung.
Mit diesen Worten – veröffentlicht auf ihren jeweiligen Weibo-Accounts – erklärten die drei chinesischen Spitzensportler Ma Long, Fan Zhendong und Xu Xin, warum sie sich aus dem Turnier zurückgezogen haben, nämlich um gegen die Versetzung ihres Cheftrainers Liu Guoliang durch das chinesische nationale Sportbüro zu protestieren. Dieser war trotz des Erfolgs seiner Zöglinge von seinem Posten als Cheftrainer zum stellvetretenden Verbandspräsidenten befördert worden, was jedoch von vielen als Absetzung aufgefasst wurde. Die Aussagen der Spieler wurden zensiert und aus dem Internet entfernt. In der Geschichte des chinesischen Tischtennissports ist dieser Vorfall bisher einmalig.
Sportler im Dienste des Staates
In den chinesischen Medien und sozialen Netzwerken gab es dementsprechend zahlreiche Reaktionen. Ein unbekannter Nutzer schrieb nicht ohne eine gewisse Prise Ironie:
Der Kommentar spielt nicht nur auf die seit Jahrzehnten existierende sportliche Dominanz der chinesischen Tischtennisspieler weltweit an, sondern auch auf die institutionelle Macht des nationalen Sportbüros über die einzelnen Spieler. Denn unabhängig von ihrem Erfolg als Einzelsportler müssen sich die Athleten dem Sportförderungssystem unterordnen. Man ist als Sportler in erster Linie Vertreter des Landes und nicht von sich selbst. Eigene Trainer, Sponsoren oder gar Meinungen werden nicht geduldet. Dies berichtete auch die beste chinesische Tennisspielerin Li Na, die sich vom Sportsystem lossagte und anschließend erfolgreich wurde. In einer Stellungnahme antwortete der Vertreter des nationalen Sportbüros auf den Rückzug folgendermaßen:
Diese Haltung findet man auch vereinzelt in den sozialen Netzwerken wieder. So äußert ein offensichlich sehr patriotisch gesinnter Zeitgenosse auf Weibo seine Zustimmung folgendermaßen:
Vaterlandsliebe oder Meinungsfreiheit?
Ein wiederkehrendes Element in den Kommentaren ist auch die fehlende Vaterlandsliebe, die aufmüpfigen Sportlern unterstellt wird. Ein User teilt diesbezüglich seine Meinung mit:
Doch die Entscheidung der chinesischen Tischtennisnationalmannschaft trifft in den sozialen Foren überwiegend auf breite Unterstützung. Viele Kommentatoren sprechen sich für die Sportler, aber auch explizit gegen das nationale Sportbüro aus. Ein Nutzer wägt ab und kommt zu folgendem Schluss:
Ein anderer fragt sich, welche Gründe es gäbe die Meinungsfreiheit zu beschränken. Er kann nur drei finden:
Ende der sportlichen Dominanz?
Ob dafür oder dagegen, die Diskussion um den außerordentlichen Rückzug der chinesischen Sportler vom Turnier zeigt vor allem, dass sich viele der großen Bedeutung der Entscheidung bewusst sind. Bleibt nur die Frage, ob Sportler, Trainer, Verband und Politik an einer gemeinsamen Lösung arbeiten können, um eine gesündere Balance zwischen individuellem Freiraum und sturem Kollektivismus zu finden.
Tief gespalten urteilt ein Weibo-Nutzer abschließend:
Zum Weiterlesen:
Christoph Giesen, Rebellion in China, Süddeutsche Zeitung, 25. Juni 2017.
bam/sid, Chinesen sorgen bei Heimturnier für Eklat, Spiegel Online, 28. Juni 2017.
‚Chengdu Three‘ table tennis players mount rare Chinese revolt, Agence France Presse, 4. Juli, 2017.