Die chinesische Regierung hat den Transfer von Landnutzungsrechten weiter vereinfacht. Sie reagiert damit auf Probleme, die über die Jahre hinweg durch das System des kollektiv verfügten Ackerlandes entstanden sind.
Die Bewirtschaftung von Ackerland ist in China nach sowjetischem Vorbild organisiert. Land kann nicht erworben werden, sondern ist im Besitz von Dorfkollektiven. Einzelpersonen besitzen ausschließlich Nutzungsrechte. Für diese Rechte zahlen sie Gebühren an das Kollektiv. Übertragbar waren diesen Rechte jedoch nicht.
Dass Chinas Bauern die Nutzungsrechte für ihr Land meist nicht übertragen können, stellt ein Problem dar. Zum einen sind viele von ihnen dadurch gezwungen, auf dem Land zu bleiben, obwohl in der Stadt die Möglichkeit bestünde, sehr viel mehr zu verdienen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie das Land effizient bewirtschaftet werden soll, falls es die Kinder doch in die Stadt zieht, um dem großen Kapitalismus-Kuchen ein kleines Stück für die Familie abzuringen.
Lange Zeit war dieses System wohl genau so gewollt, denn die chinesische Regierung versuchte alles, um zu verhindern, dass die Bevölkerungsmassen sich auf der Suche nach Arbeit und nach einem besseren Leben ungehindert durch das Land bewegten.
Mit dem wachsenden Wohlstand jedoch und mit einem sehr hohen, noch steigenden Bedarf nach Nahrungsmitteln, realisiert auch die kommunistische Partei, dass das System der Bodenverteilung nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes mitgehalten hat. Es behindert die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Land und fördert zudem Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Handfeste Maßnahmen
Am 2. November 2016 wurde daher ein Programm von 2008 ausgeweitet. Die neue Politik soll eine Übertragung der Landnutzungsrechte weiter vereinfachen und in größerem Ausmaß möglich machen. So will man nicht nur den Bauern helfen, von ihren Nutzungsrechten zu profitieren, sondern auch eine effizientere Ausbeutung des Ackerlandes durch Großunternehmen ermöglichen.
Viele Netzbürger sind der Meinung, dass aufgrund der gesellschaftlichen Situation Veränderungen bitter nötig sind. Ein Kommentator schreibt:
Teilweise findet sich Empathie für die Wanderarbeiter im chinesischen Internet. Es ist bis in weite Teile der Bevölkerung durchgedrungen, dass es für die Entwicklung des Landes wichtig und richtig ist, sich dieser Bevölkerungsgruppe anzunehmen.
Es wird jedoch vom gleichen Netzbürger bezweifelt, ob diese Mittel tatsächlich den Bauern zu Gute kommen:
Ein Netzbürger aus Hebei, einer Provinz im Norden Chinas, in der schon länger mit einem Landtransfermodell experimentiert wird, sieht in der neuen Regelung viele Vorteile. Sein Dorf hat das Land an ein Großunternehmen verpachtet, das es nun auf einer profitoptimierten Basis bewirtschaftet.
Was das für das Dorfbewohner bedeutet, erklärt er dann wie folgt:
1.000 Yuan sind circa 140 Euro. Zum Vergleich: In einem Nudelrestaurant in Shanghai kostet eine Suppe ca. 30 Yuan. Die Vermutung liegt nahe, dass die Regulierung nicht dazu führen wird, dass die Bevölkerungsschichten sich annähern werden, sondern dass der Hauptteil der Landbevölkerung als eine neue, arme Arbeiterschicht in die Städte verfrachtet wird.
L-wie-O aus der Provinz Shanxi, die auch im Norden Chinas liegt, reagiert auf die Verkündung des neuen Programms mit Wut:
Ein Anfang mit Potential
Das Thema Landnutzungsrechte trifft den Nerv eines Landes, das in seinem enthusiastischen wirtschaftlichen Aufschwung enorme Bevölkerungsschichten zurückgelassen hat. Dieses Problem muss man nun angehen, um das gesellschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Reformen feinjustiert werden, auch wenn eine Erweiterung der Rechte zum Landerwerb ein guter Anfang ist. Kommentator Wangyun äußert sich auf Weibo nach Verkündung des neuen Programmes:
Man muss hoffen, dass durch die Reform der Bodennutzungsrechte nicht nur ein gesamtwirtschaftlicher Vorteil erzielt wird, sondern dass auch die so oft benachteiligte Landbevölkerung durch die Änderungen Klarheit darüber bekommt, welche Rechte und Pflichten mit dem Landnutzungsrecht verbunden sind. Außerdem darf die Landbevölkerung nicht ein weiteres Mal abgehängt werden, von Investoren und Industriellen, die sich durch den Erwerb von Landnutzungsrechten das schnelle Geld versprechen.
Zum Weiterlesen:
Deutsche Welle: Mehr Rechte für Chinas Bauern, 11.2.2015
China-Info 24: Neue Richtlinie zu Landnutzungsrechten im Zuge der Urbanisierung, 2.11.2016
FFTC Agricultural Policy Platform: Guidelines on Land Management Rights and Development of Agricultural Scale Management, 24.7.2015
Lisa Krauss: „Weibo der Woche #8: Arm? Selbst Schuld!„, Stimmen aus China, 07.08.2015.