Zu Hause allein sein, wenig Begleitung, selbstständiges Leben – als Einzelkind erlebt man in China nicht nur das. Die gegenwärtige wie auch die zukünftige Altersstruktur der Gesellschaft bergen neue Sorgen.
Ein sympathisches Kleinkind wandelt auf dem Weg zu ihrer Oma zwischen einer Fantasiewelt und der Realität. Ohne textliche Interpretation führen die ruhigen, grau gezeichneten Bilder den Leser tief in die reine, aber einsame innerliche Welt dieses Einzelkinds ein. Das textfreie Bilderbuch „Allein“ (Originaltitel: Einzelkind独生小孩) der chinesischen Illustratorin Guojing wurde von der New York Times 2015 als eins der besten illustrierten Bücher ausgezeichnet. Die lebendige Darstellung, die den Kindheitserinnerungen der Autorin entlehnt ist, entführt die heutige junge Generation Chinas in die Welt ihrer eigenen Kindheit. Im August 2016 erschien eine chinesische Ausgabe. Die im Buch verarbeiteten Erlebnisse und charakteristischen Besonderheiten werden unter chinesischen Netzbürgern häufig diskutiert.
Djunjunjun z.B. erzählt im Onlinenetzwerk Zhihu:
Besonders oder normal?
Für alle Einzelkinder scheint Einsamkeit eine übergreifende Erfahrung zu sein. Außerdem erhalten sie gerne Etiketten wie „verwöhnt, egoistisch, asozial“. Viele werfen ihnen vor, dass eine Umgebung ohne Geschwister den Charakter verderbe. Derlei zunächst einmal unbegründete Vorurteile wurden aber auch schon öffentlich entkräftet, so von der New York Times. Demgemäß seien allein aufwachsende Kinder in zahlreichen Forschungsarbeiten, die sich mit den Charakteren der Betroffenen auseinandersetzen, genau wie Geschwisterkinder bewertet worden. Bei manchen Einzelkindern wird gerade durch das Alleinleben die Selbständigkeit gefördert. In diese Richtung argumentiert Wanglang11xiaolang in dem in China beliebten Baidu-Forum:
Allein erwachsen sein
Die Ein-Kind-Politik betrifft alle, die zwischen dem Anfang der 80er Jahre bis zum Jahr 2015 geboren wurden. Viele davon haben heute schon eigene Familien und Kinder; unter denen, die in den 90ern geboren wurden stehen manche gerade vor dem Abschluss ihrer Ausbildung. In diesem Alter machen sie als Einzelkinder gerade noch ganz andere Erfahrungen. Die oben bereits zitierte Djunjunjun meint auf Zhihu, dass für sie, als einzige Tochter, die Einsamkeit nicht das Schlimmste sei. Vielmehr fühle sie sich bei Unfällen in der Familien, die das Alter der Eltern mit sich bringt, hilflos:
Allerdings betreffen die Zukunftssorgen der Einzelkinder nicht nur die Betreuung der Eltern, sondern auch ihr eigenes Leben. Eine anonyme Netzbürgerin erzählt von ihrem konkreten Problem:
Die Einzelkind-Generation stellt heute bereist die Hauptarbeitskräfte. Sie müssen die Verantwortung für Arbeit, Gesellschaft, Eltern, Kinder, aber auch für sich selbst auf ihren Schultern tragen. Aktuelle Probleme und Nachteile im Leben der Betroffenen werden nicht zuletzt durch Bücher wie das von Guo Jing in der Öffentlichkeit thematisiert.
Zum Weiterlesen:
Petra Kolonko: Generation Einzelkind, Frankfurter Allgemeine, 08.11.2014
Eva Dignös: „Man sollte Geschwister nicht zu sehr verklären“, Süddeutsche Zeitung, 18.09.2015
China beendet Ein-Kind-Politik, Zeit Online, 29.10.2015