Wer kennt das Klischee nicht: Chinesen kopieren gut und schrecken dabei vor keiner Marke und keinem Produkt zurück. Auf Chinesisch umschreibt man die illegalen Aktivitäten kurz mit dem Wort „Shanzhai“ (wörtlich: befestigtes Bergdorf). Doch wie stehen eigentlich die Chinesen selber dazu?
Licht und Schatten
Die Vielzahl gefälschter Waren fällt in Chinas Großstädten ziemlich direkt ins Auge. So findet man sich bei einer Fahrt mit der Shanghaier Metro nicht selten inmitten verschiedenster Designertaschen wieder, deren Besitzerinnen aus allen sozialen Schichten zu stammen scheinen. Derzeit geht der Trend zudem stark in Richtung iPhone 6. Vom Büroangestellten im feinen Zwirn bis hin zum verstaubten Bauarbeiter starrt derzeit gefühlt fast jeder auf das Display des neuesten Apple-Handys. Diejenigen, die sich die Originalversion nicht leisten können, finden die Kopie leicht an den einschlägigen Adressen oder im Internet. So weit, so praktisch für viele Chinesen.
Kritik macht sich hingegen breit, wenn die chinesischen Konsumenten gefälschte Waren als Gesundheitsrisiko empfinden. So findet man auf Weibo, Chinas größter Microblogging-Plattform, nicht wenige Posts von verärgerten Käufern, die einer billigen Kopie eines bekannten Snacks aufgesessen sind oder die andere vor nachgemachtem Milchpulver oder Make-Up warnen möchten. Um ihrem Ärger Luft zu machen, schreibt z.B. Netizen „Ma22_San“:
Wie geht es weiter?
Ein Ende des Fälscherphänomens ist nach Meinung vieler Internetnutzer nicht abzusehen. Wenn überhaupt, sehen sie die Lösung in gesellschaftlichen Veränderungen und einem Umdenken in der Bevölkerung. „Das Buch des Fan Fan“ schreibt in Reaktion auf einen Weibo-Post zu Plagiaten in chinesischen Onlineshops etwa:
Netizen „_Leuchtender Mond und seichte Brise_“ antwortet auf einen ähnlichen Post:
Dass von Seiten der chinesischen Behörden im großen Stil etwas gegen das Problem getan wird, ist tatsächlich eher unwahrscheinlich. Dafür verwischt die Fälscherindustrie derzeit zu angenehm soziale Unterschiede – zumindest nach außen hin. Solange eine Nachfrage seitens markenbewusster Konsumenten besteht, die keine andere Alternative zum Originalprodukt sehen, wird also weiter imitiert.
Exemplarisch hierfür ist der Raubkopiemarkt in Shanghai: Noch vor wenigen Jahren fanden sich hier eine Vielzahl von Läden und fliegenden Händlern, die kopierte DVDs verkauften. Heute sind sie beinahe verschwunden. Ein hartes Durchgreifen der Regierung? Damit hat es laut Aussage eines der wenigen verbleibenden Händler eher wenig zu tun. Vielmehr gebe es schlicht keinen großen Profit mehr. Die Leute könnten nun eben öfter ins Kino gehen oder sich die Filme über die vielen legalen und preisgünstigen Streamingdienste ansehen, deren Angebot stetig wächst.
*Einkaufsstraße in der Stadt Shenyang (Provinz Liaoning).
**Populäre koreanische Kosmetikmarke.
Zum Weiterlesen
Huynh, Duc-Hien: „Videopiraterie im Internet – Ist die chinesische Suchmaschine Baidu ein Mittäter?“, Stimmen aus China, 06.02.2014.
Schmitz, Irina: „Milchpulver-Shopping in Deutschland – Chinas Eltern im Ausnahmezustand“, Stimmen aus China, 03.04.2015.
Ertel, Paul: „Shanzai. Kopierkultur in China“, paperblog.
Smith, Callum: „Shagzhai 山寨China & its contents“, The China Story Journal, 14.02.2016.
Bild: © Irina Schmitz
Zum Thema passt auch das Buch von Yu Hua: China in zehn Wörtern: Eine Einführung
https://www.amazon.de/China-zehn-W%C3%B6rtern-Eine-Einf%C3%BChrung/dp/3100958071/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1465500971&sr=1-2&keywords=hua+yu
Vielen Dank für den Hinweis!