Im Anschluss an die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Hongkonger Viertel Mongkok旺角 am Abend des chinesischen Neujahrsfests 2016 begann der Kampf um die Deutungshoheit. Obwohl die staatliche Zensur bei diesem hochsensiblen Thema hart durchgriff, kursierten bei Weibo Augenzeugenberichte unter dem unerwünschten Hashtag #Fishballrevolution#鱼蛋革命.
#MongkokAufruhr
Am 8. Februar 2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Hongkong als die Polizei ungewöhnlicherweise unangemeldete Straßenhändler vertrieb, die von Nachtmarktbesuchern verteidigt wurden.
Die chinesischen Staatsmedien lieferten schnell die gewünschte Sprachregelung. Sie berichteten unter dem Hashtag #HongkongerMongkokAufruhr #香港旺角骚乱/#香港暴乱 über gewissenlose Angriffe auf Polizisten.
Diese Berichte wurden in sozialen Medien tausendfach geteilt. Sie riefen überwiegend Unverständnis gegenüber den Hongkongern hervor. Eine Weibo-Nutzerin schrieb:
Ergänzt wurde diese offizielle Storyline von verängstigten Berichten chinesischer Netizens. „Ich_heiße_Song_Ruoxin“ schrieb:
Jede detailliertere Beschreibung der Ereignisse aus erster Hand wurde jedoch schnellstmöglich zensiert. Selbst neutral gehaltene Beschreibungen wie von „Fischige Berühmtheit“, der einen Artikel einer Hongkonger Zeitung weiterleitet, verschwanden:
#FischballRevolution
Eine ganz andere Erzählung, nämlich die vom Freiheitskampf gegen politische Unterdrückung in Hongkong, verbreitete sich dagegen sehr schnell unter dem Hashtag #Fischballrevolution #鱼蛋革命 auf Twitter – eine Anspielung auf die Fischbällchenverkäufer, deren Vertreibung die Unruhe ausgelöst hatte.
Im festlandchinesischen Internet wurde dieser Hashtag zwar rigoros zensiert, dennoch blieb dieser Augenzeugenbericht von „Joehohoho“ kurzzeitig auf Weibo verfügbar und wurde 14.000mal gelesen:
Der Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong schlussfolgert in einem Blogbeitrag:
Zum Weiterlesen
Deutsche Welle: „Straßenschlacht in Hongkong“, 09.02.2016.
Laura Ma and Rachel Blundy: „#Fishballrevolution: Hong Kong’s social media users react to violent Mong Kok hawker protest“, South China Morning Post, 09.02.2016.
Lisa Krauss: „Proteste in Hongkong: Was ist aus der Demokratiebewegung geworden?„, Stimmen aus China, 15.02.2015.
Yong Yang: „Proteste in Hongkong – größte Studentenbewegung seit 1989“, Stimmen aus China, 20.10.2014.
Lisa Krauss: „Mehr Frust als Lust – Wahlen und wählen in Hongkong“, Stimmen aus China, 17.08.2014.
Foto von Iris Tong via Wikipedia.