Kursrutsch ins neue Jahr: Das sagen Chinas Kleinanleger

Kursrutsch ins neue Jahr: Das sagen Chinas Kleinanleger

Shanghai: Erneute Börsenkrise in China. Foto: Aaron Goodman via Flickr.

Für Chinas Aktienbesitzer ging das Jahr 2016 gar nicht gut los: Mehrmals fielen die Börsenkurse. Während die einen nach einem Sündenbock suchen, fragen andere Netizens sich, was sie mit ihren Aktien nun tun sollen.

 

 


 

Gleich am ersten Handelstag 2016 verlor die chinesische Börse sieben Prozent. Am 7. Januar brach der gemeinsame Aktienindex der Börsen in Shanghai und Shenzhen erneut um mehr als sieben Prozent ein. Chinas Regierung setzte daraufhin ihren neueingeführten Schutzmechanismus in die Tat um und schloss die Börsen nach nur 15 Minuten Handel wieder. Eine Maßnahme, die für Beruhigung sorgen sollte, aber wohl eher das Gegenteil bewirkte.

 

Der Ärger ist groß

 

Die Kurseinbrüche sind für viele chinesische Netizens ein Ärgernis. Wie Netzbürgerin Hunde wissen Bescheid machen sie bei Chinas größtem sozialen Netzwerk Weibo ihrer Empörung teilweise mit vielen Schimpfworten Luft:

 

So ein Mist. Wenn ich nach meinen Aktien schaue, werde ich wütend. Als ich heute nachsah (habe ich wieder) Schweineverluste gemacht. Was für ein Pech. TMD,看见我的股票就生气。今天看了一下,亏成狗了。怎么这么不走运 (…)

 

Doch am Pech allein liegt es nicht. Li Jiange, derzeit Manager in zwei Staatsfirmen, sucht in einem Nachrichtenartikel die Schuld bei der China Securities Regulatory Commission (CSRC), einer Behörde, die Chinas Handel und Märkte überwacht. Dabei ist bemerkenswert, dass Li selbst zuvor Vizechef der CSRC war:

 

Es bricht eine Krise aus. Ich denke, es handelt sich um eine schwerwiegende Krise, die bisher jedoch nie erwähnt wurde: Der Fachkräftemangel der CSRC.(…) 现在我们有一个危机在爆发,虽然始终没有提到但是 , 我认为是非常重要的危机,就是监管部门的人才危机. (…)

 

Zu spät hätten die Verantwortlichen angesichts schlechter werdendem Wirtschaftswachstum, der Yuan-Abwertung und der Börsenkrise im Sommer 2015  reagiert. Im Netz ernten Li Jianges Ansichten viel Beifall. Über fünfzigtausend Mal kommentierten Social-Media-User den Artikel. Darunter auch „5504305817“, dessen Vertrauen in die staatlichen Behörden wie bei vielen anderen beschädigt scheint:

 

Endlich sagt mal einer wie es ist. Die staatliche Regulierungsbehörde CSRC ist Gott und Dämon zugleich. (Sie hat) sehr viel Macht. Von ihr wird der ganze Markt manipuliert. 终于有人说实话。证监会神是你们鬼也是你们i。权真大。由你们操作整个市场。

 

 

Guter Rat ist teuer, schlechter noch viel teurer

 

Manipuliert fühlen sich hingegen nicht alle Kleinanleger. Sie tauschen sich lieber bei Weibo darüber aus, was nun zu tun ist. „Meeresteilerleuchtung“  geht mit dem Problem so um:

 

Meine Aktien fallen unaufhörlich. Aber ich kaufe mit Absicht umso mehr Aktien, je mehr sie fallen. In der Branche, in der ich kaufe, dort möchte ich längerfristig bleiben und nicht anfangen wie wild zu verkaufen und ständig die Branche zu wechseln. Ich werde mich in keinem Fall dieser Panik beugen.我的股票不止损,因为我买的股票都是我愿意越跌越买的股票。我所在场,是一个我愿意长期守候的场,而不是始乱终弃更换频繁的夜场 (…) 我绝不向恐慌…低头。

 

Einen solchen Plan haben nicht alle. Ratlos wenden sie sich in ihrer Not über soziale Netzwerke an Finanzexperten. Chen Jiaozhu, der auf seinem Weibo-Profil angibt, Aufsichtsratsvorsitzender einer Hongkonger Investmentfirma zu sein, schreibt dazu:

 

 

Ich habe eine von meinen seltenen Verschnaufpausen. Bitte schickt mir keine Nachrichten mehr, in denen ihr fragt „Soll ich (die Aktie) kaufen oder nicht?“, okay?难得给我一个休息的机会,请大家别再发信息问买不买了好吗?(…)

 

Doch Vorsicht bei Tipps und Tricks von anderen. Wie ein Netzbürger aus der südchinesischen Provinz Guangdong berichtet, können diese schwerwiegende Folgen haben:

 

Letztes Jahr habe ich Aktien von der Firma Baoshui Keji gekauft. Als ich in meiner Heimat zu Besuch war, habe ich einen Klassenkameraden aus der Grundschule wiedergetroffen, der in einer Agentur als Aktienmakler arbeitet. Ich rief ihn an, um ihn zu fragen, ob ich mit meinen fünf Aktien eine gute Wahl getroffen habe…..Er sagte, was ich gekauft hätte, sei alles Quatsch. Er empfahl mir eine (andere) Aktie. Das Ergebnis war, dass diese innerhalb eines Monats extrem an Wert verlor. Meine Aktie (hingegen) verdoppelte sich. Seitdem vertraue ich außer mir selbst niemandem mehr.保税科技,是我去(…)买过的,回家遇到一个小学同学,在机构做操盘手,叫他帮我看看我的五个股票怎么样……他说我买的全是垃圾,给我推荐了一个股票,结果他那个股票足足跌了一个多月,我的(…) 股票都一个月翻倍了. 从此,我除了自己,谁也不信

 

 

Gerade die Kleinanleger scheinen die großen Verlierer dieser Börsenkrise zu sein. Seit Sommer 2014 investierten auch immer mehr einfache Leute an der Börse, in einigen Fällen sogar geborgtes Geld. Wie das große Durcheinander an Fragen und Ratschlägen zeigt, zum Teil ohne Vorkenntnisse und mit hohem Risiko. Dass die Regierung bisher zu wenig tat, um die Anleger zu warnen, könnte sich als nachhaltiger Fehler erweisen. Das mit dem Geld verlorengegangene Vertrauen der Bürger lässt sich möglicherweise nicht so schnell zurückgewinnen.

 

Trotz all der Panik und Ratlosigkeit blickt Weibo-Nutzer Yin Jingqi dennoch zuversichtlich in die Zukunft:

 

 

2016 möchte ich ein guter Mensch sein und klug investieren.2016,做好人,做好股 (…)。

 

 

Zum Weiterlesen

 

Harald Freiberger, Christoph Giesen, Stephan Radomsky: „Der Crash zeigt: Chinas Börse ist kaputt“, Süddeutsche, 07.01.2015.

 

Entspannung an den Märkten: China schafft Börsen-Notbremse ab, Kurse erholen sich“,  Spiegel Online, 08.01.2015.

 

David Böcking und Stefan Kaiser: “ Ökonom Li zur Wirtschaftskrise: „Der Wandel hat längst begonnen““, Spiegel Online, 21.01.2016.

 

Photo by Aaron T. Goodman

 

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