Proteste in Hongkong: Was ist aus der Demokratiebewegung geworden?

Proteste in Hongkong: Was ist aus der Demokratiebewegung geworden?

Joshua Wong: Mitbegründer der Scholarism-Bewegung © 西鐵頭等, via Wikipedia

2014 gingen die Bilder von Hongkongs „Regenschirm-Revolution雨傘運動“ um die Welt. Aber sie blieb ohne Erfolg. Bisher jedenfalls – denn eine Gruppe von Studenten will nicht aufgeben.

 

Zahlreich waren sie im Herbst 2014 gekommen, um freie Wahlen zu fordern. Sie besetzten Hongkongs Straßen und trotzten mit Regenschirmen dem Tränengas der Polizei. Sie traten dafür ein, dass der Stadtchef Hongkongs, genannt Chief Executive, 2017 erstmals frei gewählt werden kann. Die Regierung in Peking aber besteht darauf, eine Vorauswahl der Kandidaten zu treffen und will nur pekingtreuen Politikern erlauben, sich zur Wahl zu stellen. Davon ließ sie sich bisher auch nicht abbringen.

 

Das junge Gesicht der Revolution

 

Doch eine Gruppe junger Studenten will sich nicht geschlagen geben. Ein Name fällt dabei immer wieder: Joshua Wong黃之鋒. Mit anderen zusammen hat er die Bewegung Scholarism學民思潮 gegründet, die maßgeblich an den Protesten 2014 beteiligt war.

 

Joshua Wong ist gerade einmal 18 Jahre alt und trotzdem ist es nicht das erste Mal, dass er sich öffentlich gegen die chinesische Regierung stellt. 2012 initiierte er Proteste gegen die Einführung eines Schulfachs zur pro-chinesischen Erziehung. Schließlich beugte sich die Hongkonger Regierung, die als pekingnah gilt, dem Druck der etwa hunderttausend Protestierenden und verschob die Einführung des Schulfachs.

 

Seitdem wird über Joshua Wong fast täglich in Hongkongs Zeitungen berichtet. Er schrieb ein Buch und engagiert sich für uneingeschränkte Wahlen. Zusammen mit Scholarism ruft er immer wieder zu Protesten und zum Weitermachen auf. Zum Jahresbeginn veröffentlichte Scholarism ein Neujahrsmanifest, in dem sie ihre Ziele für 2015 formulieren:

 

Scholarism ist der Meinung, dass die Regenschirm-Revolution weitergehen muss. Selbst nach einem mehr als 100-stündigen Hungerstreik der Studenten (im Dezember 2014) war Chief Executive Leung Chun-ying immer noch nicht bereit, einen öffentlichen Dialog zu führen. Aber aus Anlass des neuen Jahres hoffen wir immer noch, dass die führenden Politiker der Sonderverwaltungszone „die Widersprüche zwischen sich und dem Feind“ ⃰  vergessen können und einen erneuten Dialog mit den Studenten eröffnen. 2015 ist ein neues Jahr. Mehrere hundert Scholarism-Mitglieder werden weiter machen.(...) 學民思潮便認為雨傘運動有必要延續下去,(...). 縱使梁振英特首在學生絕食過百小時後,仍不願跟學生進行公開對話,但學民思潮仍在元旦之際,盼望特區首長能夠放下「敵我矛盾」,跟學生就著重啟政改進行對話。(...) 二零一五年是新的一年…學民思潮的數百位同學仍未停下腳步 (…)

 

Allein auf weiter Flur?

 

Dieses Manifest kommt im Internet teilweise gut an. Netzbürgerin „Lotti Lau“ kommentiert:

 

Dieser Weg ist lang und schwierig. Nicht aufgeben! Ganz Viele unterstützen euch!前路漫長難辛,比心機呀!很多人在支持你哋㗎!

 

Und auch Facebook-Nutzer „Sheung Sheung“ meint:

 

Ihr seid die Zukunft unserer Gesellschaft.你們就是社會的未來

 

Na dann habe Hongkong keine Zukunft那香港就唔未來啦, antwortet „Feng Yan“ prompt und er ist nicht der einzige Netizen mit dieser Ansicht.

 

Proteste in Hong Kong

Proteste in Hongkong: Die Polizei setzt Tränengas ein © Voice of America, via Wikipedia

In Hongkong schlägt Scholarism und Joshua Wong viel Skepsis entgegen. Bereits 2014 kritisierten Stadtbewohner die wochenlangen Blockaden des Hongkonger Zentrums mit denen man uneingeschränkte Wahlen erzwingen wollte. Ein Grund dafür ist die Angst, die Proteste könnten gewaltsam eskalieren.

 

Jedoch sind diese Befürchtungen nicht die alleinige Ursache für die Ablehnung. Der Buchhändler „Su Gengzhe“ schreibt auf seinem Blog, dass die Gegner der Demokratiebewegung zufrieden seien, wenn sich nur ihr Lebensstandard ein wenig verbessere. Also seien sie von der Regierung nicht enttäuscht gewesen. Ganz im Gegenteil: Sie seien zu Verteidigern der bestehenden Ordnung geworden. Ausdrücke wie ‚zivilen Ungehorsam‘ und ‚der Zweck heiligt die Mittel‘ würden sie nicht begreifen und sie hätten auch kein Interesse daran, es zu verstehen. Auf Bevölkerungsebene stächen besonders die Taxifahrer als Blockaden-Gegner hervor, weil sie aufmüpfig geworden seien und die Straßenblockaden umgerissen hätten.

 

In einer teuren Stadt wie Hongkong können sich Taxifahrer und andere Geringverdiener eben keinen Verdienstausfall leisten. Hinzu kommt, dass Hongkong von Chinas wachsender Wirtschaft profitiert. Ein Konflikt mit dem Mutterland wollen die meisten deshalb nicht riskieren. Das sieht auch beispielsweise Zeitungsleser „Mark Lam“ so und appelliert an seine Mitbürger:

 

Hongkong kann sich von China nicht lösen. Hongkong ist eine chinesische Stadt. Ich möchte nicht noch einmal Chaos in Hongkong. Ich bitte euch!切則不了。香港只是中國一個城市。請不要再搞亂香港。保你大。

 

Mehrfach folgten Tausende auch zu Beginn 2015 dem Aufruf von Scholarism und gingen in Hongkong auf die Straße. Noch immer bestimmt die Demokratiebewegung die Schlagzeilen der Hongkonger Zeitungen, aber ohne den Rückhalt in der Hongkonger Bevölkerung hat sie mittlerweile an Überzeugungskraft verloren.

 

 

 

___

 

⃰  Das Zitat ist eine Anspielung auf Mao Zedongs Theorie der Widersprüche. Laut dieser sind die Widersprüche zwischen Feinden (z.B. Gesellschaftsklassen) unüberwindbar.

 

 

Zum Weiterlesen

 

Hungerstreik für Occupy Central“, Newswok, 08.12.2014.

 

Yong Yang: „Proteste in Hongkong – größte Studentenbewegung seit 1989“, Stimmen aus China, 20.10.2014.

 

Lisa Krauss: „Mehr Frust als Lust – Wahlen und wählen in Hongkong“, Stimmen aus China, 17.08.2014.

 

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