Nach dem vermeintlichen Angriff nordkoreanischer Hacker auf die Firma Sony diskutieren chinesische Netizens über die US-Komödie „The Interview“. Diese wurde infolge des Hacks hauptsächlich online veröffentlicht und ist so auch in China leicht verfügbar. Nicht wenige sehen in ihr jedoch eine Grenzüberschreitung. Im Film wird ein Team amerikanischer Journalisten damit beauftragt, Kim Jong-Un bei einem Interviewbesuch in Nordkorea zu liquidieren.
Kein Erfolg ohne Hacker-Angriff
Ein großer Teil der chinesischen Internetuser sieht im Sony-Hack weniger einen grundsätzlichen politischen Affront seitens Nordkoreas, sondern beurteilt ihn eher in Hinblick auf den Film. Der Einfluss der Aktion wird diesbezüglich sogar eher als positiv eingestuft. Auch geben einige zu, dass sie erst durch den Hacker-Angriff auf den Film aufmerksam geworden sind. Tatsächlich spielte „The Interview“ online in den ersten vier Tagen 15 Millionen Dollar ein, an den Kassen ausgewählter Kinos waren es 2,8 Millionen. Nicht verschweigen sollte man dabei allerdings das Produktionsbudget von 44 Millionen Dollar. Diese Zahlen sehen chinesische Netizens teilweise als beachtlich an, was darauf hinweist, dass dem Film nicht besonders viel Erfolgspotenzial zugesprochen wird. Nicht allein im chinesischen Internet steht etwa User „foreverAtu“ mit seiner Meinung:
Sony sollte sich bei Nordkorea bedanken, wenn es den Hacker-Vorfall nicht gegeben hätte, hätte dieser Film nicht an einem Tag ein Einspielergebnis von einer Million Dollar erreicht.索尼应该感谢朝鲜,如果没黑客事件,这片一天的票房都到不了100万刀。
Seltener anzutreffen sind Posts wie der von Weibo-Mitglied „kingkongofkhan“, der die Problematik sieht, die insbesondere mit dem „Einknicken“ Sonys vor den Hackern verbunden ist.
Der Rückzug davon, den Film in die Kinos zu bringen, wird später vielleicht als Knotenpunkt bezeichnet werden. Die Filmindustrie in Hollywood (besonders im Rahmen des nationalen Diskurses) wird ab jetzt auf diese indirekte und getarnte Weise kulturelle Zensur und Intervention von allen Arten mächtiger (Gruppierungen) und Regierungen akzeptieren, z.B. von fundamentalistischen Muslimen, Schurkenstaaten, großen Unternehmensgruppen, sozialen Organisationen, usw. Mit der Veränderung des gesamten globalen wirtschaftlichen und politischen Umfelds wird sich Hollywood bei der zukünftigen Themenauswahl vielleicht vollständig in Richtung angepasster Konservativität bewegen.取消放映,可能在之后会被视为一个节点,好莱坞电影工业(尤其是本土话语空间)将就此间接变相的接受某些势力与政府的文化审查干涉,比如原教旨穆斯林,流氓国家,大型公司集团,社会团体等等。随着整个全球经济与政治环境的变化,好莱坞在未来的题材选择上可能将全面走向收敛保守。
Film erhält durchwachsene Kritiken
Nicht wenige Netizens stufen den Film, der in China inoffiziell „Tötet Kim Jong-Un“ genannt wird, als „ganz lustig“ ein und nehmen ihn nicht allzu ernst. So kann „Deng Deng in England“ die ganze Aufregung nicht nachvollziehen.
Gestern habe ich den Film „The Interview“ zu Ende geschaut. Ich mag gar nicht glauben, dass Dickerchen Kim der Dritte wegen dieses Schundfilms die ganze Welt in Aufregung versetzt hat. Was hat er denn eigentlich davon, so auf Teufel komm raus Propaganda zu machen?昨晚看完电影<采访>,不敢相信金三胖为了这破片带着全世界这么闹腾,他到底收了什么好处这么拼命做宣传啊
Etwas eingehender kritisiert „Agui guckt Filme“ „The Interview“, den er wie einige Weibo-Mitglieder als zu vulgär empfindet.
(…) Über den Film gibt es nichts Positives zu berichten. Es ist absurder Klamauk mit bodenlosem Niveau im amerikanischen Stil und nur für wenige Lacher gut. (…)(…)至于电影本身没什么好说的,一贯美式无下限荒唐闹剧,笑笑而已。(…)
Geschmackloses Leitmotiv?
In der Tat kann man in China über den nordkoreanischen Diktator lachen, nicht umsonst wird er von diversen Weibo-Usern als „Dickerchen Kim der Dritte“ bezeichnet. Es wird jedoch wiederholt angemerkt, dass der Film in seiner Darstellung zu weit gehe und man sich in solcher Form grundsätzlich nicht über Staatsoberhäupter, speziell die anderer Länder, lustig machen sollte. Internetuser „Süden und Norden“ bekommt mit seinem Kommentar mehrere hundert Likes und scheint so die Meinung vieler zu vertreten.
Nordkorea hat viele Probleme, aber unverhohlen ein Attentat auf das nordkoreanische Staatsoberhaupt für Aufmerksamkeit heischende Gags und Kassenerfolg (zu nutzen) ist wirklich ohne jede Grundlage. Obwohl sich seit den letzten Jahren China und Nordkorea mit jedem Tag weiter entfremden, ist Nordkoreas Existenz als international verlassenes Kind in der Fraktion der Zaungäste auch sehr schwierig. Es entwickelt sich ununterbrochen und macht Fortschritte. Amerika hält die Flagge der Demokratie und Menschenrechte hoch und tritt doch die Menschenrechte anderer mit Füßen, das ist schamlos.朝鲜是有很多问题,但公然以刺杀该国领导人为噱头博取眼球和票房实在是毫无底线。虽然近些年来中国与朝鲜的关系日渐疏远,朝鲜作为一个骑墙派的国际弃儿生存也很艰难,但是它也在不断发展和进步。美国高举民主和人权的旗帜,却去践踏别人的人权,这样做是无耻的。
Wie einige andere Netzbürger nimmt schließlich „Danzhu sieht sich die Welt an“ scherzhaft den inoffiziellen chinesischen Titel des Films auf, um den USA den Spiegel vorzuhalten.
Nordkorea könnte doch einen Film namens „Tötet Obama“ machen…朝鲜可以拍一部《刺杀奥巴马》嘛
Chinesische Netizens sehen den Film aus einem ganz anderen Blickwinkel als etwa die amerikanischen Bürger, welche ihn teilweise als Demonstration für die Meinungsfreiheit anschauen. Nach wie vor ist die Online-Community gegenüber den USA gerne kritisch, möglicherweise auch deshalb, weil China selbst Gegenstand fragwürdiger Veröffentlichungen ist. So kann man seit 2013 in der umstrittenen Erweiterung „China Rising“ des Ego-Shooters Battlefield 4 als amerikanischer Soldat chinesische Aggressoren bekämpfen.
Zum Weiterlesen
„FBI sieht Beweise für Nordkoreas Schuld“, tagesschau.de, 19.12.2014.
„Filmkonzern zieht Komödie zurück: Steckt Nordkorea wirklich hinter dem Sony-Hack?“, Spiegel Online, 18.12.2014.
„Hacking-Skandal um Film ‚The Interview‘ – Nordkorea gibt sich martialisch“, tagesschau.de, 21.12.2014.
„Hype um Nordkorea-Komödie: Amerikaner gucken ‚The Interview‘ – aus Prinzip“, Spiegel Online, 26.12.2014.
„Streit um Film ‚The Interview‘ – Nordkorea droht und beleidigt Obama“, tagesschau.de, 27.12.2014.
„‘The Interview‘: Sony veröffentlicht Nordkorea-Komödie online“, Spiegel Online, 24.12.2014.
Paul Tassi: „‘The Interview‘ Made$15M At The Digital Box Office On A $44M Budget”, Forbes, 29.12.2014.