Streiks in Chinas Schuhfabriken: Arbeiter allein gegen Gewerkschaften, Partei und Unternehmer

Streiks in Chinas Schuhfabriken: Arbeiter allein gegen Gewerkschaften, Partei und Unternehmer

In zahlreichen Schuhfabriken in Südchina wird seit Wochen gestreikt. Foto: Worker Revolution, Ming Xia via Flickr, nachbearbeitet von K. Pessl

Zehntausende Arbeiter streiken seit Wochen in Chinas Schuhfabriken. Ein großer Teil der weltweiten Produktion für Adidas, Puma, Nike und andere Marken kommt aus diesen Fertigungsstätten in Dongguan (Südchina). Im Zentrum der Proteste steht die Forderung nach den gesetzlich vorgeschriebenen Sozialleistungen, welche die Firmen bisher nicht zahlen.

 

Die örtliche Gewerkschaft veröffentlichte am 24. April 2014 einen Aufruf zur Wiederaufnahme der Arbeit. Dieser hat eine intensive Debatte über die Rolle von Partei und Gewerkschaft in Arbeitskonflikten ausgelöst.

 

Wiederaufnahme der Arbeit

 

Netizen „Zentripedalkraft V“ veröffentlichte ein Foto ebendieses Aufrufs, in welchem die Arbeiter dazu aufgefordert werden, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren, da sonst wirtschaftliche und rechtliche Konsequenzen drohten. Eine Bezahlung der Sozialleistungen wird den Arbeitern darin ab dem ersten Mai 2014 zugesagt. Der Appell lautet

 

An die gesamte Arbeiterschaft der Firma Yuyuan/Baocheng: (…) Durch die wiederholten Arbeitsniederlegungen in letzter Zeit, hat das Unternehmen derzeit beträchtliche Schwierigkeiten, seine Aufträge zu erfüllen. Wenn es so weitergeht, beeinflusst dies nicht nur die Auftragserfüllung und die Kunden des Unternehmens, sondern es könnte auch dazu führen, dass es nach der Wiederaufnahme der Arbeit gar keine Produktionsaufträge mehr geben wird. Die andauernden Streiks verletzen möglicherweise die Arbeitsdisziplin des Unternehmens. Die Arbeiter laufen daher Gefahr, ihre Verträge zu verlieren und keine Bezahlung zu erhalten. Sollte das Verhalten weiter eskalieren, könnte das Gesetz zum Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zur Anwendung kommen und die Verantwortlichen dafür haftbar gemacht werden. (…)

 

Gewerkschaften vertreten Interessen von Unternehmen und Partei

 

Aufruhen in Dongguan

Polizeieinsatz während der Streiks in Dongguan. Foto: Appledaily

Dieser Aufruf hat viele User dazu bewogen, ihrer Unzufriedenheit mit Gewerkschaft und Partei, die als verlängerter Arm der Unternehmen gesehen werden, kund zu tun.

 

Glanz der 5 Sterne Nr. 12“ wünscht sich eine Gewerkschaft, die für die Rechte der Arbeiter eintritt.

 

Eigentlich sind Gewerkschaften dafür da, im Interesse der Arbeiter zu handeln und für die Rechte der Mehrheit der Arbeiter zu kämpfen. Die Gewerkschaft heute aber steht ganz auf der Seite der Unternehmer und denkt gar nicht an die Arbeiterschaft. Das ist wirklich widerwärtig!所谓工会是代表工人利益,为广大劳工争取权益!现在的工会完全代表工厂一方,根本不考虑广大劳工,丑恶之极!

 

Große Unterstützung der Netizens für die Streiks

 

Netizen „Internationaler 2013“ unterstützt die Streiks und kritisiert die Ausbeutung der Arbeitskräfte durch die Interessen der kapitalistischen Führung.

 

Ich unterstütze begründete Streiks, teilweise Arbeitsniederlegung und Bummelstreiks. Die Arbeitskraft liegt bei den Arbeitern. Wollt ihr die Arbeitskraft von den Arbeiten abkoppeln und damit Geschäfte treiben und reich werden? So ein Schwachsinn. Streikt immer weiter. Keine Wiederherstellung des sozialistischen Gemeineigentums, keine Wiederherstellung der Führung durch die Kommunistische Partei, keine Wiederherstellung der Diktatur des Proletariats. Nehmt auf keinen Fall die Arbeit wieder auf.支持理性罢工,可以搞消极怠工,可以搞出工不出力,劳动力长在劳动者身上,你想剥离开,买卖劳动力发财?扯鸡巴蛋。一直罢工下去。不恢复社会主义公有制,不恢复共产党的领导,不恢复无产阶级专政绝不复工。

 

Eine zentrale Frage der Debatte dreht sich darum, dass die Arbeiter nicht nur für höhere Löhne und die Auszahlung von Leistungen streiken, sondern ihr Recht auf Sozialabgaben einfordern. Dass die Regierung nicht auf der Seite der Arbeiter und des Rechts steht, sondern auf jener der internationalen Unternehmen und mit diesen gemeinsam die Bedingungen diktiert, kritisiert Netizen „Der zu den Weisen gehört“ scharf.

 

Es sind die Unternehmer, die rechtswidrig gehandelt haben und den Arbeitern die Sozialabgaben nicht zahlen. Es ist ihre Pflicht, die Sozialabgaben komplett zu erstatten. Wenn sie das nicht zahlen, muss man ihre Konten einfrieren und das Unternehmen konsolidieren. Die Regierung muss für Recht und Gerechtigkeit eintreten. Sie muss auf Seiten jener stehen, die berechtige Klageforderungen stellen und ihre Interessen schützen. Es gibt keinen einzigen Grund dafür, auf der anderen Seite zu stehen.既然是资方不帮员工买社保违法违规,就责成资方全部补回,不补回就封停整顿,政府必须维护公义,站在诉求合理一方维护他们的权益,没理由站在错的一方!

 

Kurz und pointiert fasst „Overbluesky“ die Beziehungen zwischen Partei und Großunternehmen zusammen und trifft damit den Nerv der Zeit.

 

Die kommunistische Partei wurde zur Schutzheiligen der Kapitalisten? Wenn wir das nur früher gewusst hätten.共产党成了资本家的保护神?早知现在何必当初?

 

Es ist eine neue junge und selbstbewusste Arbeitergeneration, die in China erfolgreich für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen eintritt. Doch nicht nur erhöhte Löhne und bessere Sozialleistungen sind zentrale Themen der Proteste. Insbesondere die rechtmäßige Behandlung und Einhaltung der Gesetze durch die multinationalen Unternehmen stehen im Vordergrund und finden Unterstützung durch die Netizens. Die Arbeiterstreiks in China sind kein nationales Phänomen, sondern längst Teil einer globalen Auseinandersetzung geworden, die uns genauso betrifft wie die streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter in Dongguan.

 

 

 

 

Zum Weiterlesen

 

Dongguan Union Releases Response to Yue Yuen Workers’ Demands”, China Labour Watch, 24.04.2014.

 

Adidas Deals With Striking China Factory by Moving Orders”, Bloomberg News, 24.04.2014.

 

Austrin Ramzy: “Workers Strike at Shoe Factory Over Benefits Dispute”, The New York Times, Sinosphere, 17.04.2014.

 

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