Es ist ruhig geworden um die aktuellen Entwicklungen in den Foxconn-Fabriken in China. Nachdem die Löhne nach einer Reihe von Suizidfällen in der Belegschaft schrittweise erhöht worden waren, sollten weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in den Fabriken folgen, wie z.B. bessere Arbeitszeiten oder die demokratische Wahl des Betriebsrates. Was aber ist aus den Versprechungen geworden und wie sind sie zu interpretieren?
Druck von außen
Arbeiterproteste und Suizidfälle hatten die Missstände in den Fabriken des taiwanesischen Unternehmens Foxconn in den vergangenen Jahren auch in westlichen Medien bekannt gemacht. Durch die Berichterstattung nahm vor allem der Druck auf den prominentesten Kunden des Unternehmens – Apple – zu.* Apple setzte daraufhin eine Zusammenarbeit mit den Inspektoren der Arbeitsschutzorganisation Fair Labour Association durch. Letztendlich war es wohl die Gefahr eines erheblichen Imageverlustes, welche das Unternehmen dazu bewegt hatte, Inspektionen zuzulassen. Dies unterstreicht auch die Tatsache, dass sich die Inspektionen lediglich auf drei „Vorzeigebetriebe“ beschränken. Eine echte Hilfe, um die Situation für die Arbeiter weiter zu verbessern, stellt diese Maßnahme wohl kaum dar.
Ankündigung von Betriebsratswahlen
Bereits zu Beginn des Jahres 2013 hatte das Management von Foxconn angekündigt, die Rechte der Arbeiter stärken zu wollen. Zu diesem Zweck soll durch eine geheime Wahl ein Vorsitzender und 20 Mitglieder der Foxconn Vereinigung für Gewerkschaftskomitees bestimmt werden.
Der Ankündigung folgten bisher jedoch noch keine Taten. Auf Nachfrage ließ man seitens des Unternehmens verlautbaren, dass man die Betriebsratswahl für den Herbst 2013 anstrebe und derzeit noch mit der Planung der Durchführung beschäftigt sei.
Gewerkschaften als „Dekoration“
Ob die angekündigte Wahl eines Betriebsrates jedoch einen echten Meilenstein in der Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer darstellt, ist fraglich. Die bereits existierenden Arbeitervereinigungen und Gewerkschaften bei Foxconn werden nicht als Interessenvertreter der Arbeitnehmer wahrgenommen. Das liegt in erster Linie daran, dass die Vorsitzenden und ein Großteil der Mitglieder der Betriebsräte aus dem Management des Unternehmens stammen und häufig Parteimitglieder sind. Gewerkschaften in China sind vielmehr eine Art „Dekoration“ und organisieren insbesondere Freizeitaktivitäten für die Belegschaft.**
Auch viele Internetnutzer stehen den Gewerkschaften eher skeptisch gegenüber. Ein anonymer Blogger aus Sichuan schreibt auf der chinesischen Internetplattform sina.cn z.B.:
Vor vielen Jahren wurden die chinesischen Gewerkschaften als Kontrollmechanismus eingesetzt, die Arbeiter repräsentieren sie nicht. Das ist es, worunter die Arbeiter zu leiden haben.中国工会很多年前就变成控制机构了,不代表工人了,这是工人的悲哀.
Ein weiterer anonymer Blogger aus Shenzhen teilt diese Einschätzung.
Die Gewerkschaften bei Foxconn sind ein Witz. Der Vorsitzende der Gewerkschaft und deren Funktionäre sind die Leiter der Fabrik. Und so etwas nennt sich Gewerkschaft?富士康工会只是个笑话,工会的主席,干部都是厂区领导。那还叫工会吗?
Ein Netizen aus Taiyuan stimmt zu:
Ich weiß nicht, von wem ich vertreten werde. Ich habe in mehr als 20 Jahren noch keinen Stimmzettel gesehen! Das ist typisch chinesisch.我都不知道我被谁代表了!二十多年了连选票长得什么样子都没有见过!这就是中国特色。
Unter den Netizens scheinen nur wenige große Hoffnungen in die angekündigten Wahlen zu setzen. Und dass diese – wenn sie denn tatsächlich stattfinden – wirklich geheim und demokratisch ablaufen, daran möchte auch kaum einer glauben. Ein anonymer Blogger aus Guangdong schätzt die Situation folgendermaßen ein:
Die Gewerkschaften werden von den Firmen finanziert. Lassen es die Firmenchefs zu, dass man mit ihrem Geld nicht nach ihrer Pfeife tanzt? Denken Sie darüber nach, es ist ein abscheuliches System. Wenn man in den Fabriken unabhängige Gewerkschaften ermöglicht, dann fordert die Bevölkerung nachher auch noch ein unabhängiges Rechtswesen. Das ist ein umfassender Aspekt, der von der Regierung in Betracht gezogen werden muss.工会的钱是公司拿出来的,老板会让你拿着他的钱和他唱反调?想想就恶心的制度设计。如果让工会独立于工厂,老百姓也同样要求司法独立了,这个应该是从更广的面上考虑而来的制度设计。
Ob sich die Situation für die Arbeiter durch Druck von außen von Unternehmen wie Apple verbessern kann, ist relativ unwahrscheinlich. Nach Untersuchungen der Organisation China Labour Watch, einer unabhängigen Organisation mit Sitz in New York, sind die Verbesserungen der Umstände der Arbeiter nur marginal. Realistisch betrachtet sind es die Arbeiter selbst, die tagtäglich darum kämpfen müssen, ihre Situation weiter zu verbessern.
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* Weitere bekannte Kunden von Foxconn sind u.a. Dell, Nintendo, Microsoft und Sony.
** Alle Gewerkschaften in China sind der All-China Federation of Trade Unions (ACFTU) untergeordnet. Die ACFTU wiederum untersteht der Führung der Kommunistischen Partei. Dies zeigt sich vor allem im administrativen Aufbau des Gewerkschaftsbundes, der in die Parteistrukturen eingebettet ist.
Zum Weiterlesen
Spiegel Online: „Apple-Lieferant Foxconn verspricht Betriebsratswahlen“, 04.02.2013.
Spiegel Online: „Chinesische NGO: Bericht enthüllt schwere Missstände bei Apples Zulieferern“, 28.07.2013.
Zeit Online: „Schlimmer als bei Apple-Zulieferer Foxconn“, 29.07.2013.
Ella Daschkey: „Neue Trends für Chinas Staatskorporatismus? Die ACFTU im Spiegel des Wandels der chinesischen Arbeitsbeziehungen und der wachsenden Arbeiterproteste“, Masterarbeit, 30.10.2011.
Dieser Artikel wurde von Anja Blanke im Rahmen einer Uni-Partnerschaft mit der FU Berlin recherchiert und geschrieben.