Wer schändliche Gerüchte und Verleumdungen im Internet verbreitet, dem kann nun eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren drohen. Sobald ein Eintrag von 5.000 Internet-Nutzern angeklickt oder 500 Mal weitergepostet wird, warten Strafen auf den jeweiligen Netizen. Diese Gesetzesauslegung trat am 10. September 2013 in Kraft und wird kontrovers im chinesischen Internet diskutiert.
Gerüchte könnten Unruhen oder Panik in der Gesellschaft auslösen wie z.B. der Fall des so genannten Salzgerüchtes* aus dem Jahr 2011 zeigt. Das ist jedenfalls die Befürchtung der chinesischen Regierung. Die neue Gesetzesauslegung, die derartige Gerüchte oder Online-Verleumdungen bekämpfen soll, stößt jedoch in der chinesischen Internetgemeinde auf reichlich Widerstand.
Was soll eigentlich verfolgt werden?
Netizen „Mondlicht“ befürchtet, dass die neue Gesetzauslegung so vage gehalten ist, dass zukünftig jeder Internetnutzer mit dem Vorwurf der „Verbreitung von Gerüchten“ belangt werden könnte. Die Trennschärfe von einfacher Meinungsäußerung und vermeintlichen Gerüchten wird mehr und mehr aufgehoben.
Redefreiheit beinhaltet selbstverständlich das Recht, etwas Falsches zu sagen. Bei der Bekämpfung der Verbreitung von Online-Gerüchten sollte aber deutlich zwischen der Äußerung von „falschen Meinungen“ und (böswilligen) Gerüchten unterschieden werden. Ansonsten wird die Meinungsfreiheit verletzt (…) und jedem könnte die Verbreitung von Gerüchten vorgeworfen werden.言论自由天然包含了说错话的自由,我们在打击和反对网络谣言的时候,也万万不可将网民的不实观点也当做谣言进行打击,否则,这就是对言论自由的剥夺。(...)几乎每一个人都可能会散布谣言,
Netizen Yang Jianwen bekräftigt mit dem jüngsten Fall von Charles Xue, die Kampagne gegen Online-Gerüchte sei in Wirklichkeit eine Maßnahme gegen kritische Stimmen im Internet. Der chinesisch-amerikanische Unternehmer Xue, der für seine Kritik gegenüber der Gesellschaft im Internet berühmt ist und ca. zwölf Millionen Anhänger hat, wurde vor kurzem wegen des „Besuchs von Prostituierten“ festgenommen. Yang Jianwen vermutet allerdings, Charles Xue sei eher wegen seiner Kritik festgenommen worden.
Xue (…) hat viele (kritische) Kommentare gegen die Gesellschaft online veröffentlicht. (…) Die Polizei nutzt die Kampagne gegen Online-Gerüchte aus, um Xue zu verfolgen. (…) Wenn Xue ein normaler Bürger wäre, wäre dann die Chance der Festnahme auch wegen des „Besuchs von Prostituierten“ so hoch?薛蛮子(...)上传了大量的社会短评(...)警方趁着这一波打击网络大谣(...)趁机修理一下薛蛮子,(...) 如果薛蛮子只是一介平民,他嫖娼被抓获的可能性会不会小得多?
Gesetzesauslegung schränkt Bürgerjournalismus weiter ein
In jüngster Vergangenheit haben chinesische Blogger Korruption von hochrangigen Beamten und Managern online entlarvt und für deren Entmachtung und Verurteilung gesorgt. Der Trend des Bürgerjournalismus und Whistleblowing könnte, der Meinung von Rechtswissenschaftler der renommierten Peking-Universität Zhang Qianfan nach, durch die Kampagne gegen Online-Gerüchte gestoppt werden.
Die Kampagne gegen die Verbreitung von Gerüchten könnte die gerade angefangene „Online-Korruptionsbekämpfung“ im Keim ersticken. Ohne die Überwachung durch den Online-Bürgerjournalismus, sind die von korrupten Beamten skrupellos angerichteten Schäden in der Gesellschaft mit denen der „Online-Gerüchte“ nicht zu vergleichen. Es wäre besser, das Recht auf Meinungsäußerung (dem Volk) zurückzugeben. (…) Solch eine Unterdrückung ist nicht vernünftig. Sie führt bloß dazu, dass die Regierung ihre Glaubwürdigkeit weiter verliert und könnte wiederum sogar die „Verbreitung von Gerüchten“ fördern. 可能把不久前刚刚掀起的“网络反腐”扼杀在摇篮里。没有网络的监督,(...)贪腐者(...)无所顾忌其对社会造成的实际危害是任何“网络谣言”不能望其项背的。还是把属于言论的还给言论吧。(...) 抗拒和压制是不明智的,它只能使政府进一步丧失威信,甚至为 “造谣者”造势。
Für den Publizist Yang Hengjun könnten korruptionsverdächtige Kader die Kampagne gegen Online-Gerüchte missbrauchen und gegen die Netizen, die Korruption entlarven wollen, Repressalien ergreifen.
Für die korrupten Kader ist die Chance gekommen, an Netizens Rache zu nehmen. Es mindert ihre Hartnäckigkeit (in Fällen wie der Korruptionsbekämpfung).这次能逮到一个机会,乘机报复网民,让他们再也不敢放肆。
Transparenz und Offenlegung von Informationen
Tang Xinbo, Rechtsanwalt und Professor der Renmin Universität, geht den Ursachen von Online-Gerüchten auf den Grund und schlägt den Behörden vor, mehr Transparenz walten zu lassen.
Für ein wichtiges Ereignis, das in der Öffentlichkeit große Beachtung findet, würde die Verbreitung von Gerüchten nicht aufhören, solange keine Klarheit über das Ereignis in der Bevölkerung herrscht. Deshalb ist die Transparenz in der Politik wichtiger als Unterdrückungsmaßnahmen gegen Verbreitung von Online-Gerüchten.对某个公众关切的重要事件,如不能消除信息模糊性,则谣言无法停止。因此,(...) 信息公开比严打更重要 (...)
Wie weit die Kampagne gegen Online-Gerüchte gehen wird ist unklar. Die Tatsache ist, dass die Zensurbestrebungen über die Jahre hinweg die Chinesen nicht wirklich daran hinderten, ihre Kritik online zu äußern. Wie Ai Weiwei sagte: „Das Internet bleibt unkontrollierbar, es sei denn, es würde komplett abgeschaltet werden“.
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* Nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Japan, war das Online-Gerücht im Umlauf, dass Jod die Schilddrüse vor Strahlung schützen könne. Dieses Gerücht führte zu landesweiter Panik. Lange Warteschlangen in Supermärkten und der drohende Ausverkauf von jodhaltigem Salz waren die Folgen.
Zum Weiterlesen
Ruth Kirchner: „Bei zu vielen Klicks drohen Strafen“, Tagesschau, 10.09.2013.
„Gefährliche Gerüchte“, FAZ, 29.08.2013.
Chris Buckley: „Crackdown on Bloggers Is Mounted by China“, The New York Times, 10.09.2013.