Während der Kunsthandel in China boomt und immer mehr Kunstfestivals stattfinden, ist die Lebenssituation von vielen chinesischen Künstlerinnen und Künstlern sehr schwierig. Hauptgefahr für die Szene ist der Zwangsabriss von Ateliers und ganzer Künstlerviertel. Die Ankündigung zur Räumung kommt oft plötzlich und den Künstlern wird nur wenig Zeit eingeräumt, Alternativen zu finden.
Warum führt die Regierung immer wieder Abrissmaßnahmen durch? Wie können sich Künstler dagegen wehren? Chinesische Blogger und Kenner der Kunstszene diskutieren.
Künstler ohne gesellschaftlichen Status
Da Künstler meist viel Platz für wenig Geld benötigen, ziehen sie in Wohngebiete am Stadtrand. Blogger „Ying Hao“ beschreibt in seinem Artikel sehr detailreich die Situation der verschiedenen Künstlerviertel in Peking. In den 1990er Jahren sammelten sich viele junge Künstler im wohl ersten Künstlerviertel überhaupt, gelegen in der Nähe des alten Sommerpalastes in Peking (Yuanmingyuan). Doch dann ergriff die chinesische Regierung Maßnahmen zum Zwangsabriss dieser Ateliers.
Einige Jahre später führte die Regierung gegen diese, der Schaffung pornographischer, gewaltvoller, reaktionärer usw. Werke verdächtigten Künstler, Maßnahmen durch. Das Maler-Dorf wurde aufgelöst und die Künstler ziehen nun in noch weiter entlegene Dörfer um. (…) In dieser Zeit waren Yuanmingyuan und East Village (Anm. d. Ü.: ein weiteres Pekinger Künstlerviertel) noch keine richtigen Künstlerviertel: Künstler hatten keine offizielle Stellung, ihre Versammlungsorte hatten keinen legalen Status und sie konnten jederzeit aufgelöst werden. Die Öffentlichkeit hielt sich fern von ihren Vierteln.几年后,政府对这些涉嫌创作黄色、暴力、反动等内容作品的艺术家采取了行动,画家村被解散了,艺术家们转战更偏远的农村。(…)这一时期的圆明园和东村并不具备艺术区的形态:艺术家没有正式的身份;聚集地没有合法的地位随时可能被解散;公众对于艺术家画家村保持距离。
Schwierige Lebenssituation durch Zwangsabrisse
Großangelegte Urbanisierungspläne der Regierung sind ein Hauptgrund für den Abriss von vielen Künstlervierteln am Stadtrand der Großstädte. Beispiele sind die Zhengyang Creative Art Zone im Pekinger Stadtteil Chaoyang oder das Suojiacun Künstlerdorf, wo auch der in Deutschland bekannte Künstler Liu Bolin sein Atelier hatte.
Blogger „Lang Di“ hat den Zwangsabriss seines eigenen Studios miterleben müssen und beschreibt die erfahrene Ungerechtigkeit:
Als ich am 16. Juni 2005 wegen hohen Fiebers im Krankenhaus eine Infusion bekam, erhielt mein Vater plötzlich den Anruf eines gewissen Herrn Shang Yang, der sagte, dass die Ateliers in Suojiacun abgerissen werden sollten. Wir waren alle sehr schockiert, weil wir das Atelier ein halbes Jahr lang mit großer Mühe renoviert hatten, einen Raum, dem wir unsere ganzen künstlerischen Träume anvertraut hatten. Er wurde erst ein paar Monate genutzt, und nun sollte es schon abgerissen werden? Wir sind rechtmäßige Bürger. Die meisten Maler des Künstlerviertels sind sogar Professoren von verschiedenen Hochschulen für bildende Künste, die eine mehrjährige Ausbildung vom chinesischen Staat genossen haben. Außerdem haben immer alle rechtzeitig die Miete und Wasserrechnung bezahlt. Es gibt keinen Grund für den Abriss.2005年6月16日,朗迪因高烧在医院输液,爸爸忽然接到尚扬先生的电话,说索家村工作室要被拆掉了!我们都很震惊,这可是我们用了大半年的辛苦装修,寄托了我们艺术梦想的一个空间啊,怎么还没用上几个月,说拆就拆了?我们都是合法公民,画家村的画家也多是各个美术院校的教授,受这个国家教育多年。我们也都是按时交纳房租和水电费用的。没有拆的理由啊?
Proteste chinesischer Künstler
Die zunehmende Zahl an Zwangsabrissen löste Proteste vieler Künstler und Unterstützer gegen die oft brutalen Zwangsräumungen aus. Die Anwohner der Zhengyang Creative Art Zone organisierten eine Reihe von Veranstaltungen und Ausstellungen mit dem Titel „Warm Winter“. Blogger „Qin Ga Cangkus Schatzkammer“ leitet einen Artikel der „Time Weekly“ in Auszügen weiter, der den Ablauf schildert:
(…) Die Ausstellungsdauer ist immer nur ein Tag. Das Ganze findet in der abgerissenen Ruine statt. Man kann den Ort kurz vor dem Protest allerdings kaum betreten, weil die Abriss-Teams in anhaltendem Konflikt mit den gebliebenen Künstlern stehen.(…) 每次的展期只有一天,场地在拆迁中的废墟,展览前一天展场还无法布置,因为拆迁队与留守艺术家们冲突不断。
Der Artikel lässt auch die Meinung des Dokumentarfilmers Li Yifan zu Wort kommen. Dieser sieht die Proteste der Reihe „Warm Winter“ als überaus wichtig.
Er sagt, das Programm „Warm Winter“ sei in der chinesischen Kunstwelt von 2009 das größte Ereignis gewesen. Es stellt das Gewissen eines kultivierten Menschen dar. Wichtiger als jede andere Gelegenheit, erfolgt dieser Protest, um Gerechtigkeit zu erlangen, wichtiger als jedes Gemälde, ist dies die grundlegendste Sache unserer Existenz.他说‘暖冬计划’,是2009年中国艺术界最大的事件。作为一个文化人的良知,比什么机会都重要,为正义而抗争,也比画什么都重要,这是我们生存的最起码的东西。”
Künstlerviertel „798“ ist eine Ausnahme
Das international bekannte Künstlerviertel „798“ am Stadtrand von Peking hingegen genießt als beliebtes Touristenziel auch für internationale Gäste einen Sonderstatus, wie ein Artikel des China Securities Journal, das von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua unterstützt wird, bemerkt.
„798“ kann existieren und wird heute als ein kultureller und kreativer Stadtteil bestätigt, auch weil die Regierung die Kultur und den Wert der zeitgenössischen Kunst für die eigene Gesellschaft erkannt hat.798能够存在,并且今天被确认为一个文化创意园区,也是由于政府看到当代艺术本身的社会价值和文化价值。
Die bisherige Entwicklung lässt jedoch vermuten, dass „798“ eine Ausnahme bleiben wird und die Abrisse anderer Viertel fortgesetzt werden.
Zum Weiterlesen
Rebekka Cordes: „Unsichtbarer Protest – Eindrucksvolles Statement des Künstlers Liu Bolin“, Stimmen aus China, 08.06. 2013.
An Xiao Mina: „Art Village: A Year in Caochangdi Art Village: A Year in Caochangdi“, The Design Observer Group, 05.07.2012.
Tania Branigan: „Beijing artists say development is driving them out”, The Guardian, 24.02.2010.