Die Rückgabe der ehemals britischen Kolonie Hongkong jährte sich am ersten Juli 2013 zum sechzehnten Mal. Für das chinesische Festland ist der erste Juli stets ein Tag zur Freude. Jedoch ist es auch der Tag der Demonstrationen. Tausende protestieren jedes Jahr auf der Straße gegen die Eingriffe der Zentralregierung in die individuellen Freiheiten der Hongkonger Bürger.
Nachdem Hongkong vertragsgemäß am ersten Juli 1997 an China zurückgegeben worden war, hatte Peking den Hongkongern unter dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ versprochen, die angestammten Rechte für weitere 50 Jahre aufrechtzuerhalten. Dazu gehören neben einer eigenen Währung und einem eigenen Rechtssystem auch die Presse- und Versammlungsfreiheit. Netizens aus Hongkong nehmen nun das Versprechen der Zentralregierung genauer unter die Lupe und ergründen, wie frei und demokratisch Hongkong tatsächlich ist.
Beschränkung der Meinungsfreiheit
Netizen „Liu Sir“ kritisiert die durch die Regierung beschränkte Presse- und Meinungsfreiheit.
Seit 2007 mischt sich die Hongkonger Regierung (…) in die Verwaltung der Rundfunkanstalt „Radio Television Hong Kong“ (RTHK) ein. Die Hongkonger Regierung beabsichtigt, (den Sender) umzustrukturieren und darauf zu verzichten, dass RTHK von einer Regierungsinstitution in eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt umgewandelt wird. (…) Das einzige Ziel dessen, dass die Regierung die Eigenständigkeit des RTHK mehr und mehr beschränkt, ist eindeutig, die Meinungsfreiheit der Bürger anzugreifen.自2007年起,香港政府 (…) 已對「香港電台」進行行政干預,港府擬另起爐灶,摒棄「香港電台」由政府機構轉為公共廣播機構,(...) 顯而易見,政府逐步收窄「港台」的自主空間,目的只有一個,便是打擊香港市民的言自由。
Peking mischt sich auch in die Gesetzgebung ein, um die Meinungsfreiheit der Bürger weiter einzuschränken. So wurde z.B. versucht, ein neues Sicherheitsgesetz einzuführen, das „Verrat“ und „Unterwanderung“, verhindern soll. Grundlage des Gesetzes ist Artikel 23 des Hongkonger Grundgesetzes. Netizen „Pieatapple“ sieht darin die Gefahr einer willkürlichen Verfolgung von Bürgern.
Das Schlimmste an der Gesetzgebung und vor allem Artikel 23 ist, dass die Bürger wegen der Ungenauigkeit (des Gesetzestextes) nicht wissen, wann die Taten als rechtswidrig betrachtet werden. (…) Dies erhöht die Macht der Regierung. Der Artikel kann einfach als Werkzeug von den Behörden ausgenutzt werden, um Andersdenkende zu unterdrücken.二十三條立法最弊之處,是條例含糊不清,市民不知何時會觸犯法例。(...) 增加了政府的權力,法例也容易淪為當權者的工具,打壓異己。
Allgemeine Wahlen werden keine allgemeinen Wahlen sein
Peking will auch auf die versprochene allgemeine Wahl ab 2017 Einfluss nehmen, indem es sich Einspruchsrecht gegen die Kandidaten, die das Land nicht „lieben“, vorbehält. Für Astrophel Lim, ist dies jedoch vielmehr Täuschung und Lüge.
Das Land und Hongkong zu lieben ist eine Voraussetzung für den Hongkonger Regierungschef. Aber was heißt in diesem Fall schon „lieben“? Diese Undeutlichkeit wird mit Sicherheit von Peking zur Wahlmanipulation ausgenutzt werden. Noch schlimmer ist, dass die Kandidaten von Peking akzeptiert werden müssen. Dies verdreht völlig die Definition einer allgemeinen Wahl. (…) Peking hat überhaupt kein Interesse daran, Demokratie und Chancengleichheit für die Wahl zu respektieren.將「愛國愛港」的「愛」變成前設, 根本是在模棱兩可之中任由北京操縱選舉。更過份的是指候選人必須是北京可接受的人物,這簡直是完全扭曲了普選的定義。(...)北京根本無意尊重民主的精 神,尊重平等的選舉規則。
Konflikte zwischen Festlandchinesen und Hongkongern
Außer dem steigenden Vertrauensverlust der Hongkonger Bürger gegenüber Peking wachsen auch die Konflikte zwischen der Bevölkerung beider Seiten. Die Touristen vom Festland strömen nach Hongkong. Sie machen Immobiliengeschäfte und treiben die Immobilienpreise in die Höhe. Sie bringen Babys in Hongkonger Klinik zur Welt. Außerdem kaufen Festländer ein Großteil des Milchpulvers seit dem chinesischen Milchpulverskandal auf. Das verärgert auch Netizen Chenyun.
Das Milchpulver auf dem Hongkonger Markt steht den Hongkonger (Babys) zu, nicht den Festländern. Dass das Milchpulver im Festland vergiftet ist, ist ihr Problem. Die Festlandchinesen kommen herüber und kaufen große Massen an Milchpulver ohne Rücksicht auf die Existenz der Hongkonger. (…) Die (Hongkonger) Regierung beschränkt den „Milchpulverschmuggel“ nicht. Im Gegenteil, beschränkt wird der Kauf für Hongkonger durch Rationierung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Herrscher Hongkongs die kommunistische koloniale Regierung ist. Sie betrachtet Hongkonger als Menschen zweiter Klasse. Die Festlandchinesen (…) in Hongkong haben Privilegien.香港市場的奶粉,是香港人的,不是大陸人的。大陸奶粉有毒,是他們的事,大陸人過境大量搶購屬於香港人配額的奶粉,毫不顧及香港人的生存,(...) 政府不限制外來走私客購買奶粉,反過來要用登記配給制度來對付香港人,是因為統治香港的,是港共殖民政府,當港人是二等奴隸,而大陸人(...)在香港享有特權。
Chinas wachsender Einfluss ist beängstigend für die Hongkonger. Dies führt zu einer Welle von anti-chinesischen Gefühlen in Hongkong und stellt das Modell „Ein Land, zwei Systeme“ in Frage. Es wird wohl noch lange dauern, bis Hongkonger ein Gefühl der Verbundenheit zu China entwickeln.
Zum Weiterlesen
Markus Rimmele: „In Hongkong wächst die Wut auf Peking“,Tagesschau, 01.07.2013.
Miriam Boersting: „Doch keine prochinesische Erziehung für Hongkongs Schüler: Proteste verhindern Pflichtschulfach ‚Patriotismus‘“, Stimmen aus China, 20.09 2012.
Andreas Lorenz: „Hongkong und die Festland-Chinesen: Bloß keine Nudeln in der U-Bahn“, Spiegel Online, 17.3.2012.