Neues Onlinebuchungssystem der chinesischen Bahn steht in der Kritik- Gut gewollt ist nicht gleich gut gemacht

Neues Onlinebuchungssystem der chinesischen Bahn steht in der Kritik- Gut gewollt ist nicht gleich gut gemacht

Kurz vor dem Frühlingsfest im Januar 2012 kündigte das chinesische Bahnministerium an, dass alle Zugtickets ab sofort auch im Internet erhältlich sind.
Den Praxistest bei der Bevölkerung bestand die Neuerung nicht, vor allem Wanderarbeiter seien benachteiligt ist der Vorwurf. Zusammengetragen von Wang Dan Dan.

Zum Frühlingsfest ist traditionell fast ganz China unterwegs. Jedes Jahr reisen viele Millionen Chinesen vor allem mit der Bahn. Im Jahr 2012 fuhren etwa 230 Millionen Reisende mit dem Zug, um vor dem Frühlingsfest aus den Metropolen nach Hause und nach dem Frühlingsfest wieder in die Städte zu kommen. Wenn so viele Menschen auf einmal unterwegs sind, ist es sehr schwierig eine Fahrkarte zu bekommen, vor allem für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen wie die der Wanderarbeiter. Entsprechend blüht besonders während des Frühlingsfestes der Schwarzmarkt für Zugtickets. In den vergangenen Jahren standen zahlreiche Wanderarbeiter, wie viele andere auch, stundenlang manchmal sogar tagelang am Ticketschalter, um ein Ticket zu ergattern und gingen mitunter dennoch leer aus. Schwarzhändler kaufen einen Großteil der Tickets auf, um sie dann zu überhöhten Preisen weiter zu verkaufen, die sich Wanderarbeiter nicht leisten können. Das chinesische Bahnministerium wurde deswegen oftmals kritisiert und als unfähig bezeichnet, mit der Situation umzugehen.
Im Jahr 2011 testete das Bahnministerium das Onlinesystem für den Verkauf von Tickets für einige Hochgeschwindigkeitszüge. Von dieser Testphase haben die einkommensschwachen Schichten allerdings kaum profitiert, da die Tickets für Schnellzüge so teuer sind, dass sich diese nur wenige leisten können. Im Jahr 2012 hat nun das Bahnministerium erstmals Tickets aller Preiskategorien online zum Kauf angeboten, um einerseits den Fahrkartenkauf zu erleichtern und andererseits den Schwarzmarkthandel mit Zugtickets zu verhindern.
Doch das neue Onlinesystem wird als realitätsfern kritisiert.

 

 

Das neue Onlinesystem für Bahntickets in China in der Kritik

Netizen „joyandbd“ schreibt unter dem Titel „Wintermärchen: Gedanken darüber, warum der Fahrkartenverkauf im Internet eingefroren ist“ über die Probleme des Onlinesystems:

„缘于网购火车票搜索,发现《南京:网络售票遇冷 火车站依旧扎堆》、《呼和浩特互联网订火车票遇冷》、《网购火车票首日“遇冷“昆明全天仅5人通过网络》等等标题。浏览,视频中火车站内多人山人海人头攒动,其购票窗口前仍排着一条条长龙;与此火热对应,这些新闻文字,全都诉说着网购火车票的冷清。[…] 打工者中,即如我那做过国有中型企业技术科长的兄弟,受过高等教育,具有相当的知识。可因失业十年,远离了原有环境,对网上售票也全然陌生。而现实中的打工者,无论是城镇失业下岗工人还是农民工,都不可避免存在年龄偏高知识结构偏低的问题。特别是失业下岗工人群体和年龄稍长的农民工兄弟姐妹,平日一心打工,一年也就离家回家坐一回两回火车。尽管在中国铁路客户服务中心网站12306.cn上,所有车次的火车票均已可网购。可大多数身处底层的打工者,别说票上购票常识,就是票上购票这事,也可能闻所未闻一无所知.

Wenn man nach ,Fahrkarten online kaufen‘ im Internet sucht, bekommt man verschiedene Schlagzeilen wie: ,Nanjing: Onlineverkauf von Fahrkarten eingefroren. Immer noch lange Schlangen vor dem Hauptbahnhof‘; ‚Onlineverkauf von Fahrkarten friert in Hohhot ein‘; ‚Der Onlineverkauf von Fahrkarten friert am ersten Tag ein – nur fünf Leute in Kunming kauften Tickets online‘. Außerdem wird ein Video gezeigt, in dem wahnsinnig viele Menschen in langen Schlangen vor Bahnhöfen zu sehen sind. Diese Szenen und die oben genannten Berichte zeigen, dass das Onlinesystem zum Fahrkartenkauf „eingefroren“ ist. […]. Das liegt einerseits vielleicht daran, dass das System neu ist und viele noch nichts davon wissen; andererseits vielleicht auch daran, dass viele Wanderarbeiter unregelmäßig oder auch gar nicht das Internet nutzen. […] Wanderarbeiter wie mein Bruder, der vorher in einem Staatsunternehmen als Abteilungsleiter gearbeitet hat, sind zwar sehr gebildet. Aber, er ist seit zehn Jahren arbeitslos und dadurch weit weg von neuen technischen Entwicklungen. Ihm ist dieses Onlinesystem des Fahrkartenkaufs sehr fremd. Arbeitslose in kleinen Städten oder Wanderarbeiter sind relativ alt und nicht gut ausgebildet. Solche Leute arbeiten das ganze Jahr über und fahren nur ein- oder zweimal im Jahr nach Hause. Obwohl die offizielle Website 12306.cn vom Servicezentrum des chinesischen Bahnministeriums auch billige Tickets anbietet, die sich auch Wanderarbeiter leisten könnten, ist das System selbst fern ab der Lebensrealität dieser Leute, da sie einfach keinen Zugang zum Internet haben. Diese Leute wissen nicht einmal, dass es dieses Onlinesystem überhaupt gibt.

 

Das Onlinesystem ist kompliziert und zeitaufwendig

Ein IT-Arbeiter namens „Wang Zhibo“ beschwert sich, dass das Onlinesystem zu kompliziert sei:

和那些……不上网,不知网银是何物不懂网购的农民工大叔对比,按理说我们这些整天跟电脑打交道,有着丰富网购经验,熟知网银支付流程的IT人士们应该感谢铁道部,感觉这个网上购票服务就是专门给我们打造的,网购个火车票应该是小菜一碟,但是我们这些IT人士真是冤枉,有种躺着就能中枪的感觉。我在一家互联网企业上班,……单位网速较快,一大早就来到单位,打算体验一下铁道部得便民服务–网上订票。…… 注册步骤还算顺利,但是注册完登录一步就操作了不下80次。……好不容易的登录进去了,开始了查票和订票的步骤,当查到有合适的票之后,兴奋的提交了订单……。一个提示框突然蹦出来显示“提交订单数量过多,请稍后再试“,想到几千万人同时在交订单,一开始没成功很正常,那就接着提交,……1次、5次、10次,好家伙,连续提交不少于50次还是一个艳丽的黄色叉号温馨的提示我返回重新预定。好吧,想到回家我又犯贱的继续提交,……订单终于搞定,到了支付的环节,俺兴奋的拿出开通网银的银行卡,迫不及待的准备给您打钱。谁知刚一点支付,整个页面瘫痪,不得不返回需要登录的页面。

Im Vergleich zu den Wanderarbeitern, die das Internet nicht nutzen und auch nicht wissen, wie man Dinge online bestellt, sollten wir IT-Arbeiter, die wir uns jeden Tag mit Computern beschäftigen und solche Systeme sehr gut kennen, uns eigentlich für das neue Onlinesystem vom Bahnministerium bedanken. Man würde denken, dass dieses Onlinesystem extra für Leute wie uns aufgebaut wurde. Für uns IT-Arbeiter müsste es eine Kleinigkeit sein ein Ticket online zu kaufen. Aber das ist überhaupt nicht der Fall. Wir haben das Gefühl, dass wir beschossen werden, obwohl wir in Deckung gegangen sind.*  Ich arbeite in einer IT-Firma, […] und das Internet auf der Arbeit ist sehr schnell. Deshalb bin ich früher zur Arbeit gegangen um den Service auszuprobieren. […] Die Registrierung für das Onlinesystem ging noch, aber nach der Registrierung habe ich fast 80 Mal versucht, mich einzuloggen. […] Nach der schwierigen Anmeldung fing ich damit an, Tickets zu suchen und zu kaufen. Nachdem ich ein passendes Ticket gefunden hatte, habe ich begeistert die Bestellung abgeschickt. […]. Aber da erschien plötzlich ein Fenster in dem stand: ‚Momentan gibt es zu viele Bestellungen. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.‘ Ich dachte, dass wahrscheinlich grade Millionen Menschen gleichzeitig Tickets im Internet kaufen und hielt es für normal, dass die Bestellung nicht klappte. Ich habe es dann weiter versucht. […]. Einmal, fünfmal, zehnmal, ich habe es mindestens 50 Mal versucht. Aber das auffällige gelbe Kreuz erinnerte mich jedes Mal daran, dass ich es wieder erneut versuchen muss. Dann habe ich von Zuhause aus weiter probiert meine Bestellung abzuschicken. Nachdem ich endlich meine Bestellung erfolgreich abgeschickt hatte, musste ich bezahlen. Als ich dann mit großer Freude, weil es endlich geklappt hatte, online bezahlen wollte, war plötzlich die Website fürs Bezahlen kaputt und ich musste wieder zurück zum Anfang und mich wieder einloggen.

Ein anderer Netizen schreibt, dass das Onlinesystem wohl nichts mehr als eine Zierde ist. Der User habe beliebige Startbahnhöfe und Endbahnhöfe eingegeben, aber egal welche Strecke eingegeben wurde, nie gab es ein passendes Ticket-Angebot.

Positives Feedback für das neue Ticketsystem

Es gibt jedoch auch Befürworter des neuen Online-Buchungssystems. Netizen qqll2004 mischte sich in die Diskussion mit positiven Beispielen vom online Zugticketkauf ein. qqll2004 schreibt, dass er/sie in zwei Tagen insgesamt vier Fahrkarten erfolgreich über das Onlinesystem gekauft hat. Allerdings waren zwei der Tickets für den Hochgeschwindigkeitszug und die anderen zwei waren für eine Reise nach Xinjiang. Laut qqll2004 ist es auf Grund der hohen Preise einfacher, Tickets für den Hochgeschwindigkeitszug zu bekommen, und Xinjiang gehört zu den weniger beliebten Reisezielen. Auch ‚you qiang wu ba‚ schreibt, dass er/sie während des Neujahrs erfolgreich Tickets für die Hin- und Rückreise online gebucht hat. Das neue Buchungssystem sei nicht so schlecht wie von anderen beschrieben. Man müsse es einfach nur mehrmals versuchen.

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* Chinesische Metapher für das Fehleinschätzen einer Situation

 

Zum Weiterlesen:

Rare Ware: Der Schwarzmarkt für Zugtickets zum Frühlingsfest, Stimmen aus China

 

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