„Werkzeug des Westens“ – Die Welthandelsorganisation urteilt gegen Chinas Rohstoffexporte

„Werkzeug des Westens“ – Die Welthandelsorganisation urteilt gegen Chinas Rohstoffexporte

Ende Januar 2012 bestätigte der Streitschlichtungsmechanismus der Welthandelsorganisation (WTO) seine Entscheidung gegen chinesische Exportbeschränkungen auf neun Rohstoffe. Dazu gehören unter anderem Zink, Bauxit, Koks und Magnesium – die Seltene Erden waren nicht Teil dieses Streitschlichtungsverfahrens. Das offizielle Peking ist verärgert. Auch das Gros der chinesischen Blogger empfindet die Entscheidung als ungerecht. Ein Beitrag von Jost Wübbeke und Jingjie Hou.

Offizielle Stimmen

Mexiko, die USA und die EU hatten das Verfahren 2009 angestrengt. 2011 entschied das Gremium gegen China, das in die Berufung ging: die chinesischen Ausfuhrzölle, Quotensysteme und andere Maßnahmen sind nicht rechtens. Die chinesischen Beteuerungen, es handele sich um Maßnahmen zum Schutze der Umwelt, ließ die WTO auch in der Berufungsphase nicht gelten. Obwohl einige Anschuldigungen fallen gelassen wurden, drückte das Handelsministerium sein Bedauern über die rechtskräftige Entscheidung aus: „Die WTO sollte sich nicht nur für Freihandel einsetzen, sondern auch die Bemühungen der Mitgliedstaaten um den Schutz der Umwelt und erschöpflicher Ressourcen Rechnung tragen.“ Es versprach jedoch „entsprechend der WTO-Regularien ein rationales Rohstoffmanagement und die nachhaltige Entwicklung umzusetzen“. Deutlicher wurde Regierungsberater Pan Jiahua von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaft im Gespräch mit der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua: „Die WTO behindert [Chinas] Verantwortung für die grüne Transformation“. Der Vize-Präsident des WTO-Instituts, Zhu Xinquan, äußerte: „Exportbeschränkungen von Rohmaterialien im Sinne des Umweltschutzes und eine Reduzierung der Ressourcenverschwendung sind völlig rechtens. Aber bei einer von den westlichen Staaten beherrschten WTO muss China dafür ausgefeiltere Techniken finden“. Die Global Times ging in ihrer englischen Ausgabe sogar soweit, Chinas WTO-Verpflichtungen generell zu überdenken. Die chinesische Netzgemeinschaft war entsprechend wütend über die WTO-Entscheidung.

 

Das „Werkzeug des Westens“ gegen ein passives China

Der Tenor in einem Forum der Volkszeitung (人民日报, Renmin Ribao) machte die WTO als „wirtschaftliches Werkzeug des Westens“ („西方的一种经济工具而已“) aus. Ein Beitragender wundert sich:

天呐!中国2001年加入WTO时的到底承诺了神马?搞得如此被动。[…] 实在不行,就尽快退出那个WTO吧!

Himmel! Was hat China bei seinem WTO-Beitritt 2001 nur versprochen, dass China nun so schikaniert [wörtl.: passiv gemacht] wird ?[…] Das geht gar nicht. Austritt aus der WTO – sofort!

 

Diskutant Liyouli hingegen hält die WTO generell für fair:

规则是公平的,是所有成员国的工具。但是,我们目前的应用能力尚十分欠缺,不仅缺乏经济人才和法律人才,而且缺乏合理的产业配置产品平均附加值过于低下,过度依赖自然资源和人力资源的低价格竞争。

Die WTO-Regeln sind fair und das Werkzeug aller Mitglieder. Nur nutzen wir sie aufgrund mangelnder wirtschaftlicher und rechtlicher Kompetenzen noch nicht ausreichend. Aufgrund der ungleichmäßigen Industriestruktur und den extrem billigen Produkten hängt China übermäßig von billiger Konkurrenz durch Naturressourcen und Arbeitskraft ab.

Mit seiner Stellungnahme zur WTO ist er damit in der Minderheit. Andere halten sich mit der Kritik an der eigenen Regierung allerdings nicht zurück. An Yihou schreibt auf seinem Mikroblog:

中国商务部和国务院相关部委很无能!!!….老是在意别国看法而不在意国内民意

Das Handelsministerium und der Staatrat sind sowas von unfähig!!!… Immer schauen sie auf die Meinung anderer Länder, aber nie auf den Willen ihres Volks.

Pi Lingzi kritisiert:

美国和日本的稀土不是限制出口,是不出口。限制出口是不合法的,因为这是认为改变供求,达到垄断,不出口是合法的。谁让中国人要做婊子要赚钱呢,这事情是我们自己活该!我们在WTO里的人都是废物,不熟读条例不说,还硬以为自己对的。

Die USA und Japan beschränken den Export von Seltenen Erden [sic, gemeint sind hier die neun Rohstoffe] nicht, sondern sie exportieren einfach gar nichts. Die Beschränkung des Exports ist illegal, weil dadurch das Angebot manipuliert wird und ein Monopol errichtet wird. Aber gar nichts zu exportieren ist legal. Niemand zwingt die Chinesen, sich derart zu prostituieren, das ist unsere eigene Schuld! Unsere Leute bei der WTO sind ganz und gar unfähig – sie lesen die ganzen Paragraphen nicht und schweigen. Trotzdem beharren sie noch auf der Richtigkeit ihrer Position.

 

Wie geht es weiter?

Einige chinesische Netizens sind sich einig, dass die chinesischen Exportbestimmungen nur China etwas angehen. Mikroblogger „Jagt die Schweine aus der Milchstraße“ schreibt:

Wir dürfen uns nicht nochmals beugen und gramvoll nachgeben. Um wieviel wir unseren Export reduzieren, hängt ja wohl immer noch von uns ab. Das ist doch unerhört! Wird das dann nochmals zu so einem Angriff wie dem Opiumkrieg führen?

咱不能再一味地委屈窝囊退让了,咱自己的东西减少出口还不由咱说了算啊,岂有此理,难道还能再次像鸦片贸易那样强行开战吗

„Versteckt in der Kongfu-Welt“ schlägt vor, nun zu anderen Mitteln zu greifen:

则我国应修改国内法和政策对待,实行关停并转,征收生产环节税、暴利税、环境污染税,看洋人咋办。

Wir sollten nun Gesetze und Politik anpassen: Umstrukturierung der Branche *, Erhebung einer Wertschöpfungssteuer, eine Steuer für übermäßigen Gewinn, Umweltsteuer – mal schauen was die Ausländer dann machen.

 

Hat China ein Recht auf Umweltmaßnahmen?

Das Urteil wird vor allem aufgrund seiner Blindheit für die chinesischen Umweltbemühungen von Yuque Chushi kritisch beurteilt:

WTO双重标准 中国不能牺牲自己的环境和子孙后代去为别国造福

Das sind die doppelten Standards der WTO. China darf nicht seine eigene Umwelt und zukünftigen Generationen opfern, um anderen Ländern zu Reichtum zu verhelfen.

„West-Blog“ meint:

中国有权对自己的资源进行合理化利用,节约能源没有错,任何外人无权干涉

China hat das Recht auf die angemessene Nutzung seiner Ressourcen und Energieeinsparungen. Niemand darf sich dabei einmischen.

„Xuyame Xiaodi“ kritisiert, dass China immer erst verschmutze und dann sauber mache und keinen langfristigen Umweltplan habe:

中国败走WTO, 稀土资源的限制出口临危也是同样无长远规划造成的

Dass China WTO-Regeln bricht und mit seinen Exportbeschränkungen auf Seltenen Erden der Gefahr ins Auge sieht, liegt zugleich daran, dass wir keinen langfristigen Plan [zum Umweltschutz] haben.

„Xiang Jing Ding Tian“ (香锦汀田) sieht den Preis der hohen Umweltverschmutzung als Ausdruck ungerechter Lastenverteilung:

美欧却封存雪藏了本国的稀土资源。我们为此付出了高耗能、高污染的代价

Die USA und Europa verschließen ihre Seltenen Erden und lassen sie zuschneien, während wir den hohen Preis des immensen Energieverbrauchs und der Umweltverschmutzung bezahlen.

 

Hat China ein Recht auf Entwicklung?

Einige Netizens sehen daher das Welthandelssystem insgesamt als ungerecht an. Während die WTO gegen Chinas Exportbeschränkungen vorgehe, würde der westliche Boykott auf Waffen- und Hochtechnologieexporte nach China weiter bestehen, wie „Landschaft von Morgen“ anmerkt:

对华武器禁运和高科技出口限制依旧存在世间本来就没有公平只有强者和弱者。

Angesichts des lange bestehenden Verbots auf den Export von Waffen und Hochtechnologie nach China ist die Welt schon ungerecht. Es gibt nur Starke und Schwache.

„Renzhe Shen Gui“ (忍者神龟001) schreibt auf Weibo zur WTO:

本意永远将中国成为其低端的产业基地

Der eigentliche Zweck ist, China für immer zur Industriebasis billiger Produkte zu machen.

Xllxxx legt dem Westen folgende Worte in den Mund:

不出口深加工原材料而出口原矿,你们自己高耗能高污染去冶炼吧。

China darf keine weiterverarbeiteten Produkte exportieren, sondern nur Roherze. Ihr [China] übernehmt dann mal die Aufbereitung der Rohstoffe mit dem hohen Energieverbrauch und der Verschmutzung.

 

Und die Seltenen Erden?

Auf dem Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsforum in Kanton mit Bundeskanzlerin Merkel kam das Thema „Seltene Erden“ wieder zur Sprache. Premierminister Wen Jiabaos Antwort ließ keine Veränderung der chinesischen Position erkennen. Ähnlich ist es mit der chinesischen Blogosphäre. Das WTO-Verfahren wird unmittelbar in Zusammenhang mit den Seltenen Erden gesehen. Europa hoffe nun, dass China auch den Seltenerd-Export lockere.

Pili Long Zhua Zhua 霹雳龙爪爪„, dessen Profilbild die myanmarische Bürgerrechtlerin Aung San Suu Kyi zeigt, meint:

中国若不让步,新的诉讼可能会接踵而至

Wenn China [bei den Seltenen Erden] nicht nachgibt, dann könnte eine neue Klagewelle kommen.

Das Seltenerd-Unternehmen „Everbeenmagnet“ bloggt auf Sina:

世贸组织(WTO)日前裁定中国原材料出口违规,引起市场对中国稀土出口的热议。有专家认为,由于稀土与多种原材料在成分和地位上存在差异,以及WTO规则尚需完善等原因,中国稀土出口的做法未必会遭到出口违规的裁定。对于我国面临的稀土出口争议,可借鉴欧美相关政策加以化解。

Weil die Seltenen Erden und viele andere Rohstoffe in ihrer Zusammensetzung und Bedeutung unterschiedlich und die WTO-Regeln noch nicht lückenlos sind, wird über Chinas Exportmethoden bei den Seltenen Erden nicht als Regelverstoß entschieden werden. Die Streitpunkte können bilateral durch ein Zugehen auf die amerikanische und europäische Politik gelöst werden.

_____

* Die Zentralregierung versucht derzeit die Bergbaubranche auf einige wenige Riesenunternehmen zu konzentrieren. Dabei werden viele kleinere Unternehmen geschlossen oder geschluckt. Das führt unter anderem zu (mittelfristigen) Produktionseinbußen und stärkt die Marktmacht der großen staatlichen Unternehmen.

 

 

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