Die internationale politische Landschaft verändert sich. Wer gestern noch den Ton angegeben hat, muss jetzt damit rechnen, dass seine Politik hinterfragt und im Zweifelsfall auch durch andere Vorstellung ersetzt werden kann. Länder wie China und Indien bestimmen nun in erheblichem Maße Entscheidungen mit. In globalen Foren wie der WTO oder der UN nehmen sie größere Rollen ein, üben Einfluss auf globale Maßnahmen wie zum Thema Klimawandel aus oder sind als wirtschaftliche und finanzielle Mächte vom Weltmarkt nicht mehr wegzudenken. In anderen Fällen machen sie gar Politik ganz ohne die alleingesessenen Akteure, wie die Entwicklungspolitik Chinas zeigt. Der folgende Artikel wurde auch vom Forum Umwelt und Entwicklung veröffentlicht.
War Entwicklungspolitik seit Ende der Kolonialzeit grundsätzlich ein europäisches oder US-amerikanisches außenpolitisches Steckenpferd und demnach von einer klassischen Geber-Nehmer-Hierarchie gekennzeichnet, so sehen sich diese Strukturen mittlerweile der Konkurrenz durch eine gegensätzliche, chinesische Ideologie ausgesetzt. Diese gründet sich auf der Vorstellung, dass Kooperation auf Gleichberechtigung basieren muss, welche nur durch die Zusammenarbeit ebenbürtiger Partner erreicht werden kann. Leitlinie der chinesischen Entwicklungspolitik ist deswegen der „gemeinsame Vorteil“. Das Verständnis der Gleichheit gründet sich in erste Linie auf einen gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund der Kolonialisierung und Unterdrückung, der die jeweilige politische und wirtschaftliche Entwicklung geprägt hat, sowie auf der bestehenden Dominanz westlicher Staaten in der Weltwirtschaft und -politik. Dem gängigen Nord-Süd-Muster wird somit eine Süd-Süd-Kooperation ohne europäischem oder US-amerikanischem Einfluss entgegengestellt, wobei ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Entwicklungspolitik die Abgrenzung zu westlichen Entwicklungsansätzen ist, mit einer Hervorhebung von Respekt vor staatlicher Souveränität und ohne eine Bindung politischer Reformen an wirtschaftliche Unterstützung.
Chinesische Entwicklungszusammenarbeit – Alternative ohne kolonialgeschichtliche Belastung
In der chinesischen Bevölkerung wird die Außenpolitik des Landes intensiv diskutiert und auch die Bedeutung der Entwicklungspolitik reflektiert. Insbesondere das Internet dient hierbei als Medium seine Meinung zu verbreiten und von anderen kommentieren zu lassen. Unter der Wahrnehmung, die westliche Entwicklungshilfe sei wenig mehr als eine Fortführung der Beziehungen zwischen Kolonialmacht und Kolonie, versteht man die chinesische Entwicklungspolitik durchaus als historische Alternative zur Ausbeutung durch westliche Mächte. Ein Blogger mit dem Namen „Alter Idiot“ schreibt dazu:
Die alten Kolonialstaaten wie England, Deutschland, Frankreich, USA und sogar Spanien und Portugal haben sich alle verausgabt, um an den Gewinnen aus Afrika beteiligt zu sein. (…) Afrika wurde zum Garten der alten Kolonialmächte. Nach der Gründung des neuen Chinas und einigen Jahrzehnten der Anstrengung, konnte China endlich in großem Maße selbstlos Hilfe leisten. (…) Nach einigen Jahren wohl überlegten Wirtschaftens, hatten wir einen festen Stand in Afrika.老牌殖民主义国家,如英、德、法、美甚至西班牙、葡萄牙都不遗余力地经营在非洲的利益,却从来没有一个国家能全控这块神奇而富有的大陆。 (…) 非洲成为了老牌殖民主义国家的后花园。新中国成立后,经几十年努力,总算以大量无私援助 (…) 几十年小心经营,在非洲也有了比较牢实的立足点
Aber auch angesichts der aktuellen, globalen Wirtschaftsprobleme sehen die Blogger mehr denn je die Verantwortung Chinas gegenüber den Entwicklungsländern. „Chef im ostasiatischen Meer“ kommentiert:
Chinas Entwicklungshilfe verdient Zuspruch, gerade weil nach der Finanzkrise die Frage des amerikanischen Haushaltsdefizits ungelöst bleibt, die EU mit einer Kreditkrise zu kämpfen hat und in Japan eine dreifache Krise mit Erdbeben, Tsunami und Nuklearkatastrophe stattfindet. Das alles beeinträchtigt ihre Fähigkeit zur Entwicklungshilfe. Chinas Entwicklungshilfe kann das mehr oder weniger kompensieren.中国的外援是值得赞许的国际行为,尤其在华尔街金融危机后,美国财政赤字及国债问题悬而未决、欧洲诸国相继面临主权信用危机、日本的地震、海啸、核泄漏三合一危机,势必都将影响这些发达国家的外援能力。中国的外援多少能起到弥补的作用。
China’s Entwicklungspolitik – Empowerment oder Ausbeutung?
Von chinesischer Seite wird oft argumentiert, ein integraler Bestandteil der chinesischen Entwicklungspolitik sei die Stärkung der Entwicklungsländer, durch welche sie endlich als eigenständige Akteure wahrgenommen würden. Das Argument des Empowerments der Entwicklungsländer lässt sich wenigstens dann anbringen, wenn man davon ausgeht, dass mit dem chinesischen Engagement beispielsweise die afrikanischen Länder das erste Mal die Möglichkeit haben zwischen unterschiedlichen Entwicklungsmodellen zu wählen. Für die chinesische Entwicklungszusammenarbeit spricht außerdem die Politik der Nichteinmischung, welche als Respekt vor einer tatsächlichen Gleichberechtigung der Entwicklungsländer angesehen wird. Kritiker der chinesischen Entwicklungshilfe sehen in der Nichteinmischung wiederum ihre größte Schwäche, da sie das Überleben von Diktaturen unterstütze, ineffektive Regierungen an der Macht halte und westliche Sanktionsversuche behindere. Viele westliche Länder sehen in Chinas Entwicklungspolitik im Gegenzug eine neue Art von Kolonialismus, bei welchem die chinesische Seite Ressourcen wie Öl oder Edelmetalle aus Afrika heraushole und den lokalen Markt mit billigen Importprodukten überschwemme. Auch chinesische Blogger setzen sich mit diesen Vorwürfen auseinander und kommen zu durchaus unterschiedlichen Bewertungen. Netizen „Punkt Punkt“ schreibt:
Die Vorurteile des Westens haben ihren Ursprung in der komischen Überlegung über die traditionelle Instandhaltung des eigenen Einflussbereichs. (…) Auch die chinesische Politik der Nichteinmischung in afrikanischen Ländern wird kritisiert. Dass China niemandem seinen Willen aufzwingt, ist Chinas traditionelle Kultur und außenpolitische Entscheidung. China beteiligt sich auf seine eigene Weise an der Vermittlung zwischen und Lösung von regionalen Konflikten in Afrika. Der Westen zwingt Afrika seine Beurteilungskriterien anzunehmen und ist damit ein Ideologie-Hegemon.西方的种种偏见源于传统维修的影响范围内畸形的思考。 (…) 中国不干涉别国内政的非洲国家也要挨批评了。中国不把自己的意志强加于人,这是中国传统文化和外交政策的决定。中国以自己的方式积极参与调解解决非洲地区冲突。西方强迫非洲到受理其评价标准,它会是一种意识形态霸权。
Blogger Kong Qingdong hingegen ist der Meinung, dass Chinas Bedarf an Ressourcen sehr wohl eine Rolle in seiner Entwicklungspolitik spielt:
Die ganze Welt schaut auf Afrikas Ressourcen und auch China hat da seine Interessen. Wir wollen diese Interessen [in unsere Politik] integrieren, aber die Wahrung von Interessen und der Schutz der Afrikaner sind die gleiche Sache (…).今天全世界都盯上了非洲的资源了,中国在那里 也有利益,我们要包括自己的利益,但是保卫利益和保卫它们是同样的意义(...)
China als Weltmacht oder als Partner?
Dass Chinas Rolle in der Weltpolitik wächst, ist eine Tatsache, um die keiner mehr herum kommt. Und dass diese stärkere Stellung auch das Eindringen chinesischer Ideen in traditionelle Politikfelder der westlichen Welt zur Folge hat, ist eine Tatsache, die das bestehende Verständnis politischen Strukturen durcheinanderbringt. Die Frage ist nun, wie man darauf reagieren will. Ob China tatsächlich die Kooperation des Südens stärkt oder eigene Interessen hinter einer Maske der angeblicher Gleichberechtigung versteckt, ist und bleibt im Endeffekt Ansichtssache und sollte letztendlich auch von den Entwicklungsländer selber entschieden werden. Ob Chinas wachsender Einfluss eine positive Veränderung in der internationalen Politik ausüben wird hin zu einer stärkeren Beteiligung schwacher Akteure oder ob westliche und chinesische Vorstellungen weiter aneinandergeraten werden, ist eine Frage für die Zukunft. Dass aber wenigstens in der chinesischen Bevölkerung Chinas wachsende Rolle in starkem Zusammenhang mit globaler Verantwortung steht, zeigt der Eintrag von Liu Yang:
Aus einer globalen Perspektive gesehen, ist Chinas Entwicklung nicht nur Chinas Angelegenheit, sondern die der Menschheit. Für die gemeinsame Entwicklung der Menschheit muss China in seiner Entwicklung deswegen eine nachhalte Methode finden.从世界的角度看,中国的发展不仅仅是中国自己的事情,而是全人类的事情,中国的发展应该为全人类的共同发展寻找一种可持续的方式。
Eine zum damaligen Zeitpunkt sehr interessante Einschätzung zu Chinas globaler Rolle, die für die EU durch die letzten außenpolitischen Ergeignisse eine neue Gewichtung erhalten sollte. Nicht zuletzt durch die verhängten Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit der Ukraine Situation, haben Wirtschaftsvertreter wie Mario Ohoven davor gewarnt, dass Russlands erzwungene Situation auch dazu führt, dass sich Russland mehr zu neuen Absatzmärkten und Produzenten in Fernost öffnet und diese Wirtschaftbeziehungen zu Lasten europäischer intensivieren wird.