Bewohnern des Longhua-Bezirks in Shenzhen bot sich vergangenen Montag ein grotesker Anblick: Vom Dach eines Hauses hingen Spruchbanner herab, auf denen der Slogan „Sterbende Hunde sind so verängstigt, dass sie von Gebäuden springen“ zu lesen war. Daneben taumelten zwei am Hals aufgehängte lebende Hunde in der Luft, die nach kurzer Zeit erstickten. Zu dieser drastischen Maßnahme griff der Hauseigentümer Zeng, um seinen Unmut über das Verhalten der lokalen Behörden auszudrücken. Diese hätten es seiner Aussage zufolge versäumt, ihn darüber zu informieren, ob sein Gebäude aufgrund von Straßenbauprojekten abgerissen wird. Dies führte angeblich dazu, dass der Eigentümer seit 11 Monaten keine Mietzahlungen erhält. Die chinesischen Netizens diskutieren nach dem Vorfall über Moral und Unmoral von Zengs Verhalten, die Grenzen sozialen Protests und die Notwendigkeit von Tierrechten.
Wie die Mehrheit der chinesischen Blogger verurteilt „Erschrockener kleiner Esel“ Zengs Aktion und fordert rechtliche Konsequenzen für den Eigentümer, obwohl die Bloggerin grundsätzlich Sympathien für Proteste gegen zwangsweise erfolgende Abrisse von Häusern hegt:
(…) Bisher hatte ich immer Mitgefühl mit denen, die sich gegen das Häuserabreißen wehren (…) und war wütend auf die, die die Häuser abreißen. Aber in diesem Fall bin ich sehr aufgebracht. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand gegen das Abreißen von Häusern protestieren will, ich unterstütze es sogar eher. Aber warum nur hängt er Hunde auf? Er hätte sich ja selber aufhängen können, wäre die Wirkung dann nicht noch besser gewesen? (…) Ein derart inhumaner Unternehmer sollte zu einer Strafe verurteilt werden. Außerdem sollten Tierschutzorganisationen gegen diesen Herrn Zeng Anklage erheben. Auch die zuständigen Behörden sollten streng gegen solche Aktionen vorgehen, sonst werden solche Unglücke immer wieder passieren, und die Leidenden werden arme Hunde oder andere Tiere sein.(...)以前我都会很同情哪些抗拆迁的人,认为他们都很可怜,而哪些拆迁的人,我就感到很气愤,直到这次,我敢到非常的愤怒。你要反抗拆迁我不反对,甚至有点赞成,但是你为什么要吊狗呢?你可以自己吊上去啊,这样的效果可能更好呢?(...)如此灭绝人性的商家我认为应该收到法律的制裁,判刑,还有哪些保护动物的组织,应该可以出来控告这位曾先生,甚至有关部门应该对这行为进行严厉打击,否则这类事故将会继续上演,受苦的将会是可怜的狗,也可能是其他的动物.
„Hase, der die Sprache der Vögel erlernen muss“ dagegen zeigt Verständnis für Zengs Verhalten und attackiert die Blogger, die in erster Linie Mitleid mit den Hunden zeigen, in derber Sprache:
(…) Ein ganzes Hochhaus schuldet 11 Monatsmieten. Der Eigentümer war in einer hoffnungslosen Lage, und da soll er sich noch um Hunde kümmern? Diese sogenannten Hundeliebhaber sollen sich verpissen! Sollen denen doch mal Hundertausende Yuan Schulden nicht zurückgezahlt werden – dann wollen wir mal sehen, ob sie sich immer noch um Hunde scheren. Noch nicht mal die Menschenrechte sind geschützt, und ihr wollt über Hunderechte diskutieren? Wenn ihr so fähig seid, dann helft doch erst einmal dem Eigentümer dabei, seine finanziellen Probleme zu lösen und damit zu seinen Menschenrechten zu kommen. Dann könnt ihr euch immer noch für Tierrechte einsetzen! (…)(...)整整一栋大楼,欠11个月的租金。事主已经山穷水尽了,哪还管的上狗?所谓的爱狗人士都TM扯蛋去!让你欠别人个几十几百W的,看你还有没 心情关心狗?人权都得不到保障何谈狗权?你们特么有本事就把事主的人权财产权问题解决了再追究狗权责任吧!(...)
Netizen „City 88“ begegnet solchen Stimmen mit der Auffassung, dass Proteste gegen das Abreißen von Häusern zwar legitim seien, nicht aber der Einsatz von Gewalt:
In den meisten Kommentaren zu diesem Vorfall wird dieser Mann verurteilt und die unschuldigen Hunde bemitleidet. Natürlich gibt es auch ein paar wenige, die dem nicht zustimmen. Für sie ist dieser Zeng das Opfer und sie können es gut nachvollziehen, dass er seinem Ärger Luft verschaffen wollte. Außerdem finden sie, dass er ohne diese Aktion bestimmt nicht die Aufmerksamkeit so vieler Leute bekommen und noch mehr Schwierigkeiten gehabt hätte, sich für seine Rechte einzusetzen (…). Ich denke, niemand ist dagegen, dass dieser Zeng sich für seine Rechte einsetzt, aber mit angemessenen Mitteln, die Unschuldigen keinen Schaden zufügen. Er aber wählte leider ein unmenschliches, schwer verständliches Mittel, um dem ihm widerfahrenen Unrecht zu begegnen.(…) Er hat der Gewalt einfach freien Lauf gelassen und dachte, er übte Gerechtigkeit (…). Dabei vergaß er, dass sein Verhalten mit Recht nichts mehr zu tun hatte. Es sind zwei verschiedene Sachen, in seinen Rechten beschnitten zu werden und das Leben anderer zu gefährden (…). Man stelle sich vor, jeder dürfe aus Wut einfach Lebewesen auf brutale Weise umbringen und sogar Gewalt gegenüber Menschen anwenden. Wäre das nicht schrecklich? Wie viel Unrecht man auch erleiden mag, man darf keine anderen Menschen oder Tiere misshandeln! Das sollte der Grundsatz eines Menschen sein. Sobald jemand dieses Prinzip missachtet, wird er vielleicht eine Entschädigung erhalten, aber niemals Respekt bekommen!我看了一下绝大多数人对此事的评论都是对此人的谴责和对无辜小狗的惋惜,当然,也有极少数人表示异议,他们表示在拆迁这件事情中曾某本人是受害者,发泄是 情有可原的。而且如果他不这么做,不会引起这么多人的关注,他的维权之路可能更难,我们不应该对他太过苛责......看到这种说法首先我想任何人不否认曾某可以 维权,通过更加合情合理的方式,通过不伤害其他无辜的方式,但是很遗憾他没有,在他受到不公正待遇的时候,他选择了一种不人道、难以理解的方式,去表达自 己得愤慨残忍的虐杀!(...)单纯的发泄着自己的兽欲和疯狂,却自以 为正义,打出大大的横幅,殊不知他的行为已经和权益毫无关系。他的权益受损和损害其他生命是两回事(...),试想如果因为愤怒就可以逾越人性,就可以残害生灵,那么因为愤怒同样有可能把暴力施与人身,怎么不可怕?! (...)不能虐待其他的人或动物,不 管你遭到了多少不公,这是作为一个人的底线,一旦你越过了这条线,即使你赢回了赔偿,也赢不回尊重!
„Kaixi“ bedauert, dass Tierquälerei in ganz China nach wie vor ein weit verbreitetes Phänomen sei und die Mehrheit der Chinesen dem gleichgültig gegenüberstehe, obwohl schon die klassische chinesische Philosophie solches Verhalten verurteilte. In Deutschland sieht sie ein Vorbild für den rechtlichen Umgang mit Tierquälerei:
Moralisch gesehen dürfen Tiere gegessen, aber nicht gequält werden. Sogar Konfuzius kannte bereits das Prinzip, sich von der Küche fernzuhalten.* Der Gütige hat die Fähigkeit, sich in jemanden hineinzuversetzen und kann daher Mitleid empfinden. Bist du etwa bereit zu leiden? Wenn nicht, wieso sollte das dann nicht auch bei Tieren so sein? Aus diesem Grund entstanden allmählich Auffassungen über Rechte für Tiere oder deren Wohlergehen, die sich in zivilisierten Ländern bereits zu gesetzlich geschützten Rechten entwickelt haben. Wer Tiere geringfügig quält, zahlt eine Geldstrafe, wer sie in großem Ausmaß misshandelt, wird strafrechtlich belangt. Vor etwa 20 Jahren las ich ein deutsches Gesetz, in dem es heißt, dass lebende Fische nicht transportiert werden dürfen (…). Damals habe ich das noch nicht so recht verstanden. Jetzt ist mir klar, dass in einem Land, in dem man sich um das Leid von Fischen sorgt, der Nationalsozialismus nicht mehr wiederbelebt werden kann. Wie könnte ein Mensch, den das Leid der Fische bewegt, zum Terroristen werden?
Kaixi vergleicht darüber hinaus die rechtliche Stellung von Tieren in der Volksrepublik mit der in Taiwan und begründet, warum sie nicht an eine Einführung von Tierschutzgesetzen in China glaubt:
Während der Republikzeit** wurde gesetzlich festgelegt, dass man Hühner und Enten nicht verkehrt herum aufhängen darf. Wer Tiere in starkem Ausmaß misshandelte erhielt eine Strafe. Im heutigen Taiwan, wo das Rechtssystem der Republikzeit fortgesetzt wird, gilt Tierquälerei als strafrechtliches Vergehen, und in den Medien wurde kürzlich berichtet, dass ein Student der Taiwan National University wegen Tierquälerei eineinhalb Jahre bekommen hat. Auf dem Festland stößt man dagegen immer noch auf Widerspruch, sobald man Tierrechte anspricht. Vergleicht man das Festland mit Taiwan, wer sind nun die Guten und wer die Schlechten? Sind die Taiwaner heuchlerisch oder die Festlandchinesen barbarisch? Wann wird es in China soweit sein, dass Gesetze in Kraft treten, die Tierquälerei verbieten? Ich denke, dass ein Volk, das Foltern toleriert, kein Gesetz hervorbringen kann, das Tierquälerei verbietet. Wenn doch, wäre das reine Heuchelei!
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* „Sich von der Küche fernhalten“ (yuan paochu远庖厨) ist eine aus der konfuzianischen Philosophie stammende Verhaltensanweisung, die dem „Edlen“ (junzi君子) vorschrieb, der Zubereitung von Speisen nicht beizuwohnen, da er sonst dem Anblick von Blut und damit einem Resultat von Gewaltanwendung ausgesetzt worden wäre.
** Die Republik China wurde 1912 nach dem Sturz der Qing-Dynastie gegründet und währte auf dem Festland bis zur Gründung der VR China 1949.