Das neue Energieministerium, die Wahrheit über Solarenergie und jede Menge andere interessanten Fakten zum Thema Klima- und Energiepolitik in China erörterte Prof. Dr. Oberheitmann, Leiter des Research Center for Environmental Policy der Tsinghua Universität in Peking, mit Viviane Lucia Fluck im Experten-Interview von Stimmen aus China.
SAC: Welche Maßnahmen sind bei der chinesischen Reduzierung der CO2 Intensität am Wichtigsten?
Prof. Dr. Oberheitmann: Die wichtigste Maßnahme ist bei weitem die Energieeffizienz, da dies die günstigste Maßnahme ist. Und man sollte natürlich mit den günstigsten Maßnahmen anfangen. Danach kommen sicherlich die Förderungen der erneuerbaren Energien, weil die eben auch helfen können fossile Energieträger zu substituieren. Wir müssen eigentlich dahin kommen, dass wir keine fossilen Energieträger benutzen, damit die CO2 Emission immer weniger wird.
In westlichen Medien wurde verlautet, das China einer der größten Produzenten von Solarenergietechnik ist, aber diese angeblich nur exportiert wird und nicht im eigenen Land genutzt wird. Stimmt das?
Jein. Man muss differenzieren zwischen Solarthermie und Photovoltaik. Solarthermie ist die Produktion von Heißwasser mit Sonnenenergie und Photovoltaik ist die Produktion von Strom mit Sonnenenergie. Was Solarthermie angeht, da wird das in China schon ganz viel genutzt. Grade im Süden von China, da sieht man schon auf ganz vielen Dächern Solarthermie-Anlagen. Die sind auch relativ günstig und damit kann man Heißwasser produzieren, was man dann nicht mit Strom oder Gas erhitzen muss. Was Photovoltaik angeht ist das anders. Photovoltaik ist relativ teuer und das kann man sich als normaler Durchschnittschinese nicht leisten. Als normaler Durchschnittsdeutscher auch nicht. Bei uns gibt’s ja auch zum Beispiel von der KFW Unterstützung für so was. China ist allerdings einer der größten Exporteure von Photovoltaik.
2010 ist ein neues Energieministerium in China eingerichtet worden. Was für Neuerungen können dadurch erwartet werden?
Ich denke mal, unterm Strich wird sich da nicht viel verändert haben. Es gab schon mal ein Energieministerium, das ist also eigentlich nur eine Rückkehr zu einem Zustand den wir vor 1998 schon hatten. Energie ist eben in China ein strategischer Faktor, eine strategische Ressource und um das hervorzuheben und auch im Bezug auf Klimaschutz zu stärken wurde eben dieses Energieministerium wieder eingerichtet. Aber, das sind dieselben Leute die das früher bei der NDRC gemacht haben. Inhaltlich hat sich da im Grunde nicht viel verändert.
Also, neue Verpackung, alter Inhalt?
Ja, genau.
Welche energiepolitischen Folgen haben die Liberalisierung des Kohlepreises, auf der einen Seite, und die staatliche Festlegung des Strompreises auf der anderen Seite?
Ja, also, es gibt auch noch Subventionen für die Kohleverstromung. Deshalb ist die Kohle trotzdem noch für die Stromerzeugung relativ billig. Auch ist die Kohle relativ günstig für den privaten Verbrauch, da ist also eine sozialpolitische Komponente dabei. Die Festsetzung des Strompreises muss man, denke ich, eher unter Wettbewerbsberücksichtigung sehen. Da kriegt die Industrie zu günstigen Preisen Strom geliefert, was im internationalen Wettbewerb natürlich Vorteile Bringt.
Könnte eine Liberalisierung von Strompreisen in China Ihrer Meinung nach positiv zum Klimaschutz beitragen?
Klar, die Energiepreise in China sind eigentlich viel zu niedrig. Nicht nur Energiepreise sondern auch die Wasserpreise. Die sind auch viel zu niedrig. Deshalb wird Wasser verschwendet. Energie ist viel zu billig, deshalb wird Energie verschwendet. Wenn man den Haushaltsbereich oder den Gebäudebereich anguckt, kann man feststellen, dass in vielen oder in den meisten Häusern und Wohnungen die Temperatur übers Fenster geregelt wird und nicht übers Thermostat. Da geht viel Energie verloren, und das kommt deshalb, weil die kein richtiges Abrechnungssystem haben und dann werden in der Regel – bei den neuen Häusern ist das anders, aber bei den älteren Häusern ist das noch so – die Energiekosten, die Heizkosten nach Quadratmetern berechnet, egal wie viel man verbraucht. Und dann ist es auch egal, ob man ein Fenster aufmacht oder nicht. Da fehlen eben die Marktmechanismen.
Sehen Sie eine Möglichkeit, dass sich diese Problematik in naher Zukunft weiter ändert?
Das ändert sich schon! Ja, also bei den neuen Häusern da werden eben auch schon Thermostate eingebaut, da werden Zähler eingebaut. Und da werden dann die Energiekosten nach tatsächlichem Verbrauch abgerechnet. Aber das ist ein Prozess der läuft, wenn man so will, über Jahre. Bis das umgeschlagen ist in Kapitalstock, das dauert.
Viele chinesische Konjunkturpakete sind auf energieintensiv Industriesektoren fokussiert, wo liegen Verbesserungsmöglichkeiten?
Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass man diese Konjunkturpakete in Energieeffizienzsteigerung steckt. Weil das, zum einen langfristig die Energiekosten der Unternehmen und der Haushalte senkt und dann zum anderen auch langfristig zusätzliche Wettbewerbsvorteile bringt.
Kann es in China überhaupt Klimaschutz und gleichzeitiges Wirtschaftswachstum geben? Wäre das zum Beispiel durch die Förderung anderer wirtschaftlicher Sektoren möglich?
Es gibt natürlich in China eine Tertiarisierung. Eine strukturelle Veränderung des Bruttoinlandsprodukts hin zum Dienstleistungssektor und der Dienstleistungssektor ist eben eher energieextensiv. Und über diesen Weg ist eben auch eine Minderung der Energieintensität des Bruttoinlandprodukts möglich.
Umweltaktivismus scheint in China noch kein großes Thema zu sein. Warum denken Sie ist das so und glauben Sie das wird sich ändern?
Also, da habe ich wenig empirische Nachweise, da das nicht unser Forschungsfeld ist. Vom Gefühl her, und von dem was ich von einigen Kollegen höre, ist das so, dass sich bei NGO’s schon einiges tut. Dass NGO’s vor Allem auch auf lokaler Ebene den Finger in die Wunde legen können und dürfen und das auch tun. Insofern ist eine Demokratie von unten also auch möglich. Also die Zentralregierung oder das System stellen sich dem nicht entgegen.
Wie groß ist ihrer Meinung nach das Interesse der breiten Bevölkerung an einem Thema wie Klimaschutz?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich glaube, dass das so ein bisschen was mit der Bildung der Menschen zu tun. Leute die studiert haben, haben einen höheren Lebensstandart. Die haben dann eben auch andere Bedürfnisse, beispielsweise nach einer besseren Umwelt. Diese Leute haben schon ein Auto, einen Fernseher, eine Klimaanlage und ihre Bedürfnisse haben sich entsprechend verändert. Und diese Leute haben dann natürlich auch ein höheres Umweltbewusstsein. Das ist ein Phänomen, was man in ganz vielen Volkswirtschaften sehen kann. Dass die Leute mit höherem Einkommen auch mehr auf die Umwelt geben und da reagiert die Politik entsprechend auch drauf und tut mehr.
Herr Prof. Dr. Oberheitmann mag an China:
Also, ich liebe chinesisches Essen! Ich mag auch sehr die Gastfreundschaft der Chinesen. Dieses Harmoniebedürfnis, das kommt meinem eigenen Naturell sehr entgegen.
Mag nicht an China:
Den Egoismus. Ich sag mal, was über die Familie, über den engsten Kreis hinausgeht, da sind die Chinesen sehr egoistisch. Man muss nur Auto fahren dann merkt man das. Da muss man sich schon dran gewöhnen.
Gibt es irgendwo verlässliche Angaben über die Effektivität der Solarthermie-Anlagen die in China – bzw. hier in Tai’an wo ich gerade bin – auf allen Dächern stehen? Ich bezweifel arg, dass es hier eine hohe Energieeffizienz gibt. Zunächst muss das Wasser mit extrem Energiehungrigen und ineffizienten Pumpen aufs Dach gelangen. Fast immer muss man allerdings Wasser noch zusätzlich erhitzen, um überhaupt anständige Wassertemperaturen.
Deswegen die Frage: Wie teuer sind die Anlagen, und wie lange dauert es, bis sich eine solche Anlage für eine Privatperson (schließlich sind alle Anlagen in China Privatanlagen, große kollektive Solarthermie-Anlagen für große Häuserkomplexe scheint es nicht zu geben) amortisiert hat.
Lieber Dennis Fischer,
mit genauen Daten kann ich Ihnen leider nicht dienen, allerdings kann ich einige Argumente anführen, warum die Nutzung von Solarthermie nicht so unattraktiv sein muss, wie sie es für die Anlagen in Tai’an beschreiben.
Was die Energieeffizienz angeht ist das sicher Abhängig vom Wasserleitungsdruck, den Wetterverhältnissen und der Grundwassertemperatur.
Wenn der Wasserdruck so niedrig ist, dass das Wasser aufs Dach gepumpt werden muss, dann würde man die Pumpen sicherlich auch ohne Solarthermieanlage einsetzen um das Wasser in die oberen Stockwerke zu bekommen.
Dass das Wasser teils nachgeheizt werden muss, muss der Leistung der Anlage ja keinen Abbruch tun. Wenn das Wasser mit der Anlage von 15 Grad auf 25 Grad aufgeheizt werden kann und nurnoch weitere 15 Grad bis zur Duschtemperatur fehlen, spart die Anlage immerhin 50% der Wärmearbeit. In vielen Regionen Südchinas glaube ich, dass allerdings wesentlich günsitgere Wetterbedingungen herrschen und dass Solarthermieanlagen wesentlich höhere Leistungen erzielen können.
Zu den Kosten kann ich leider nichts sagen, da ich nicht weiss, inwiefern die Anlagen staatlich gefördert werden und wieviel sie kosten. Allerdings vermute ich, dass Amortisierungszeiten variieren, je nach ob und wie sehr Lokalregierungen die Anlagen fördern. Außerdem spielt sicherlich auch die Versorgungssicherheit eine Rolle. Viele Provinzen haben ab und an mit Stromausfällen zu kämpfen. Auch die Kohleversorgung der südlichen Provinzen ist nicht immer gewährleistet, weil die reichen Kohlevorkommen Chinas sich auf den Norden konzentrieren und der Brennstoff erst nach Süden Transportiert werden muss. Da kann eine Solarthermische Anlage durchaus attraktiv werden, auch wenn sie sich rein kostenmäßig nicht so sehr rentiert.
Ich hoffe, ich konnte ein bischen weiter helfen.
Beste Grüße
Hallo Roman,
vielen Dank für deine Antwort. Ich habe mal ein bisschen weiter recherchiert. Zu den Preisen dieser Anlagen habe ich bisher auch noch nichts gefunden. Für Anlagen in Deutschland spricht man allerdings von einer wirtschaftlichen Amortisationszeit von ca. 10-20 Jahren. Ohne einen genauen Überblick über die Kosten für Energie in China zu haben, schätze ich mal, dass es hier ähnlich sein wird. Über detaillierte Informationen würde ich mich aber trotzdem freuen
Was mich allerdings viel mehr interessiert, ist die energetische Amortisationszeit (Energierücklaufzeit). Gemeint ist damit die Zeitspanne, die eine Anlage benötigt, um die Energie zu produzieren, die für ihre Herstellung aufgebracht wurde (+ evtl. zusätzlicher Energieverbrauch durch den Betrieb, bspw. Wasserpumpen). In Sachen Umweltschutz ist dies der relevante Wert. Ganz interessant ist, dass der Wert hier bei ca. 4 Jahren liegt. Dies entspricht etwa dem Wert einer Photovoltaikanlage (je nach Art des Siliziums liegt der Wert zwischen 17 und 75 Monaten), aber deutlich unter dem Wert von modernen Windkraftanlagen (ca. 4-6 Monaten). Die Lebensdauer liegt bei deutschen Anlagen etwa bei 20-30 Jahren, ich glaube aber, dass bei den bereits rostenden Anlagen auf Tai’ans Dächern die Lebenszeit deutlich geringer ausfällt.
Aufgrund der langen wirtschaftlich langen Amortisationszeit und der durchschnittlichen energetischen Amortisationszeit denke ich, dass diese solarthermischen Anlagen für die Chinesen nicht wirklich was taugen. Einmal fällt ihr Wirkungsgrad im Winter und langen Frühlingen (wie dieses Jahr) auf nahe 0 %. Gerade im Norden wären wahrscheinlich andere Anlagen die deutlich bessere Investition. Im Süden mag dies anders sein. Allerdings kranken alle Solar-Anlagen an einem Problem: Schlechtes Wetter, verursacht durch Smog, verringert den Wirkungsgrad der Anlagen weiter (im Norden wie auch im Süden).
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Aber zum Glück gibt es da ja nun seit heute auch den neuen Plan, den Himmel zu säubern:
http://www.chinadaily.com.cn/china/2010-06/22/content_9999931.htm
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Worauf ich hinaus will: Ich glaube nicht, das die Investitionen in Solarthermie derzeit als wirkungsvolle Umweltschutzmaßnahme zu betrachten sind. Deutlich besser wären sinnvolle Investitionen in eine nachhaltige Energieproduktion und Energieeffizienz. Mal schauen was da noch kommt.