Krankenwagen gegen Mastschweine – Reform der Gesundheitsreform jetzt!

… meint der chinesische Arzt und Blogger renzheyishu („Humanist Heilkunst“, Anm. d. Red.) in seinem Beitrag vom März 2009. Seit den 80ern ist in der Gesundheitsreform einiges schiefgelaufen. Die Patienten beschuldigen die Ärzte. Aber auch die „Mörder im weißen Kittel“ sind eigentlich nur Menschen und können nicht aus ihrer Haut. Was warum anders werden muss, hier in der zusammengefassten Ãœbersetzung von Jost Wübbeke und Jingjie Hou.

Die Ursache für teure Behandlungskosten liegt im Gesundheitssystem!

Sind Behandlungen teuer? Natürlich sind sie teuer, wenn die Leute nicht mehr genug Geld dafür auftreiben können. Sind die Krankenhäuser niederträchtig? Das ganze Geld wird von den Krankhäuser eingesogen, wie könnten sie da nicht niederträchtig sein? Die Krankenhäuser sind Schuld an der Behandlungskostenkatastrophe.

Fast alle Ärzte über 40 haben es miterlebt: Ende der 1980er Jahre erhielt ein Bachelor-Absolvent der Medizin 48 Yuan monatlichen Grundlohnlohn, 5 Mao Nacht-Zuschlag und 3 Yuan Bett-Zuschlag pro Patient. Eine Blinddarmoperation kostete damals unter 100 Yuan. Jeder kam damit zurecht, dass nach Qualifikation und Erfahrung bezahlt wurde. Jeder fühlte sich den Patienten gegenüber verpflichtet. Man konzentrierte sich auf die Arbeit und war überzeugt, dass man durch professionelle Qualifizierung bessere Dienste für die Patienten leisten kann. Deshalb fand es auch niemand teuer zum Arzt zu gehen und die Beziehung von Arzt und Patient war dementsprechend sehr angenehm. Auch Ende der 90er hörte man nirgends, dass Ärzte arbeitslos und Patient zum Kunden geworden seien oder dass Patientenverbände Streitigkeiten über medizinische Behandlungen schlichten müssten. Absolventen erhielten ein Einstiegsgehalt von 400 bis 500 Yuan. Der Nachtdienst brachte 10 Yuan und ein Bettplatz kostete 10 Yuan. Die Kosten für eine Blinddarmoperation betrugen 600 bis 700 Yuan. 2008 verdiente ein Master-Absolvent dann mehr als 1000 Yuan, für den Nachtdienst gab es 15 Yuan. EinBett kostete 24 Yuan undeine Blinddarmoperation 4000 bis 5000 Yuan. Heute hängt die Behandlung vom Geldbeutel des Patienten ab und der Arzt ist zum hochmütigen „Mörder im weißen Kittel“ geworden. Wegen der Bestimmung zur Umkehr der Beweispflicht führen Ärzte übertrieben genaue Behandlungen durch*. Die Patienten wiederum merken sich jede Geste und jedes Wort des Arztes und werden zu hinterlistigen Berufsklägern im Gesundheitssektor. Alles steht auf dem Kopf. Ärzte beschuldigen Patienten, Patienten beschuldigen Ärzte. Aber Ärzte sind auch nur Menschen. Verloren in der Reformflut rackern sie sich ab und ertragen psychische und physische Folter! Sie wollen das alles nicht, aber sie sind der Strömung hilflos ausgeliefert…

„Wenn sich der Krankenwagen nähert, hat man das Schwein umsonst genährt“- der Reformverlauf des Gesundheitssystems

Erinnern wir uns an die letzten 20 Jahre Gesundheitsreform. Die Strategie der Regierung sah in den Achtzigern folgendermaßen aus: Der Staat gab die Anweisungen, aber nicht die finanziellen Mittel. Krankenhäuser wurden staatlich finanziert, aber die Ärzte trugen ihre Lebenshaltungskosten selbst. Dann fuhr die Regierung allmählich die Behandlungssubventionen zurück und warf die Krankenhäuser nach und nach auf den unerbittlichen Markt. Krankenhäuser, die nicht selbstständig „schwimmen“ konnten kämpften im großen Meer des Marktes um ihre Existenz. Daraufhin stellten die öffentlichen Krankenhäuser ihr Betriebsmodell um. Sie änderten ihr Objektiv von Gemeinwohl auf Wirtschaftsprofit. Der Aufsatz „Schwierige und teure Behandlungen sind zur gesellschaftlichen Zielscheibe geworden, was ist eigentlich die Ursache dieser Krankheit ?“ von 2005 argumentiert, die „Krankheitsursache“ sei die Privatisierung staatlicher Krankenhäuser. Diese Politik leistete Geburtshilfe für die „drei Ausgleiche“ in den Krankenhäusern:

1.Ausgleich für das Verlustgeschäft bei Behandlungen durch Nebengeschäfte

2.Ausgleich für die kontrollierte Arzneimittelvergabe durch mehr Untersuchungen

3.Ausgleich des defizitären Hauptgeschäfts durch diverse Nebengeschäfte

Die „drei Ausgleiche“ führten zu übertriebenen Untersuchungen und Behandlungen mit teuren Geräten, unangemessenen Arzneimittelverschreibungen wegen der Verkaufsprovision und extrem hohen Behandlungskosten. Die Gewinnbeteiligung (für Ärzte an den Einnahmen des Krankenhauses, Anm. d. Ãœbers.) trieb Krankenhäuser zu profitorientiertem Verhalten. Trotzdem stimmte das Gesundheitsministerium den „drei Ausgleichen“ überraschenderweise zu. Als die „drei Ausgleiche“ zur notwendigen Gewohnheit wurden, beschloss das Gesundheitsministerium unter anderem, den Arzneimitteleinsatz zu senken und die Behandlung vom Medikamentenverkauf zu trennen, um die negativen Praktiken der Branche zu beseitigen. Man hört überall Sprichwörter über das Gesundheitssystem wie: „Wenn sich der Krankenwagen nähert, hat man das Schwein umsonst genährt“; „Kleine Krankheiten schleppt man rum, große Krankheiten hält man aus. Erst in des Todes Angesicht begibt man sich ins Krankenhaus“; „Einmal ohne Armut für drei, fünf Jahr‚, dann wird man krank und sie ist wieder da“.

Selten muss der Durchschnittsbürger irgendwo auf der Welt über sechzig Prozent der Behandlungskosten selbst tragen.Der Artikel „Fünf Gründe für die schwierigen und teuren Behandlungen, fünf wichtige Aspekte der Gesundheitsreform“ nennt fünf Hauptgründe für die gestiegenen Behandlungskosten. Erstens steigt die Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen stetig. Zweitens entwickeln sich keine grundlegenden Gesundheitseinrichtungen. Drittens ist das Versicherungssystem nicht genug ausgeprägt. Viertens sind Krankenhäuser nicht mehr gemeinnützig. Und fünftens führt das Modell „Das Gesundheitssystem mit Medikamenten flicken“ zum künstlichen Anstieg der Arzneimittelpreise.

Die Zeit für eine neue Gesundheitsreform ist gekommen

In den letzten 30 Jahren der Öffnungs- und Reformpolitik haben sich zu viele Probleme im Gesundheitswesen angehäuft, die keiner kurzfristig lösen kann. Eine Gesundheitsreform ist ein umfangreiches Projekt, für das man nicht kurzerhand ein Wundermittel finden kann. Aber sollen wir tatenlos zusehen, weil die Reformaufgaben so schwer und mühsam sind? Wir müssen diese Probleme lösen. Wenn die Gesundheitsreform nicht möglichst bald durchgeführt wird und schnell Ergebnisse zeigt, dann könnte sich der Konflikt zwischen unzufriedenen Ärzten und Patienten verschärfen, das Ziel der harmonischen Gesellschaft untergraben und letztlich auch die Position und Glaubwürdigkeit der Regierung ankratzen. Deswegen müssen wir nach Kräften eine neue Gesundheitsform beginnen. Wenn diese einmal auf dem richtigen Weg ist, werden sich damit hunderte Probleme lösen.

Am 7. März 2009 sagte der Gesundheitsminister Chen Zhu nach einem Forum des Gesundheitsausschusses der nationalen Konsultativkonferenz: “Die Zeit bis der Gesundheitsreformentwurf umgesetzt wird, kann schon in Tagen gezählt werden. Nach dieser Konferenz und dem diesjährigen Nationalen Volkskongress ist es so weit“ Egal ob die „neue Gesundheitsreform“ lang und breit diskutiert wird oder ob man drastische Maßnahmen ergreift, jetzt ist die Zeit zum Handeln gekommen.

aus: http://blog.myspace.cn/e/403882998.htm

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* Bestimmung des Obersten Volksgerichtshof zur Beweisführung in zivilrechtlichen Gerichtsprozessen (2002). Demnach sind Ärzte in der Beweispflicht, wenn Patienten ihnen Fehler bei der Behandlung vorwerfen. Diese Bestimmung ist unter scharfe Kritik der Ärzteschaft geraten, da nicht mehr der Ankläger in Beweispflicht ist.http://www.cmda.gov.cn/yishiweiquan/weiquanzhishi/2009-03-20/5510.html; http://tieba.baidu.com/f?kz=90731969(Chinesisch)


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