In China erfreut sich das traditionelle Brettspiel Weiqi wieder zunehmender Beliebtheit. Kinder erlernen es neben der Schule, Erwachsene verfolgen internationale Turniere und ausländische Denker ziehen es heran, um die Außenpolitik Chinas zu verstehen.
Weiqi围棋,das wortwörtlich Umzingelungsspiel bedeutet, ist ein aus China stammendes strategisches Brettspiel für zwei Personen. Im Deutschen oder Englischen wird es auch oft als Go bezeichnet.
Seine Besonderheit liegt in der hohen Komplexität trotz relativ einfacher Grundregeln. Es galt neben der Kalligraphie, der Malerei und dem Zitherspiel als eine der vier Künste琴棋书画 des Gelehrten im alten China. Während Mahjong und chinesisches Schach in weiten Teilen der Bevölkerung gespielt werden, erfährt Weiqi erst seit kurzem wieder zunehmendes Interesse.
Lernen von Geburt an
Viele chinesische Kinder kommen schon früh mit dem Spiel in Berührung, denn immer mehr Eltern werden sich der positiven Auswirkungen auf die intellektuelle Entwicklung bewusst. Auf einer Webseite für Kindererziehung werden diese Vorzüge des Brettspiels gelobt:
Viele Eltern beginnen daher schon sehr früh mit der Weiqi-Ausbildung ihrer Kinder. Eine stolze Mutter und Weiqi-Lehrerin berichtet auf Weibo:
Eine weitere Mutter erzählt davon, wie sie Weiqi in den Alltag ihres Kindes integriert hat:
Weiqi-Boom dank Google
Auch unter der erwachsenen Bevölkerung wird Weiqi wieder beliebter. Bei einem Turnier im März 2016 hat der damals beste Spieler der Welt, der Koreaner Lee Sedol, gegen einen von Google kreiertes Computerprogramm namens AlphaGo gespielt, und überraschenderweise vier von fünf Partien verloren. In China wurde dies teilweise angeblich von mehr als 60 Millionen Menschen verfolgt und hat einen regelrechten Boom entfacht.
Weibo-Nutzer „Heute Nacht habe ich leicht angetrunken dem Nieselregen zugehört“ schreibt diesbezüglich:
Ein anderer User mit dem Namen „Schimmelkontrolle“ ist aufgrund des Spiels sogar auf der Arbeit eingeschlafen:
Wie sehr Weiqi in der chinesischen Kultur verankert ist, zeigt auch der jüngste Aufschrei im Internet angesichts einer koreanischen Werbung der Marke K-Swiss. Darin stellt der in China beliebte koreanische Schauspieler Park Bo Gum seinen chinesischen Gegner mit dem Namen „Große Mauer“ bei einer Weiqi-Partie bloß, was im Internet als Erniedrigung Chinas aufgefasst wurde. K-Swiss hat den Clip daraufhin vom Netz genommen. Ein Internetznutzer äußerte empört:
Ab jetzt werde ich nur noch Stars verfolgen, die China auch respektieren. 以后只有那些尊重中国的明星我才会追。
Interesse auch im Westen
Neben China, Japan, Korea und Taiwan findet Weiqi seit geraumer Zeit auch im Westen Anklang, vor allem seit der Übersetzung der Chronik „The Master of Go“ des japanischen Schriftstellers Kawabata Yasunari.
Politiker und Denker ziehen es gerne heran, um die außenpolitische Strategie Chinas zu analysieren. So sagte Henry Kissinger in seinem Buch „China: Zwischen Tradition und Herausforderung“ von 2011:
Chinas Aufstieg mittels der Internationalisierung war ein bewusst gewählter Weg mit der Absicht, die Ressourcen der Welt neu zu verteilen. Sieger und Verlierer werden hierbei ebenfalls langfristig bestimmt. Dieser non-konfrontative Aufstieg zur Weltmacht des 21. Jahrhunderts kann somit auf die jahrhundertealte Kunst des Weiqi zurückgeführt werden. Dieses Axiom der Konfliktvermeidung stammt aus dem tausend Jahre alten chinesischen Werk „Classic of Weiqi in Thirteen Chapters“ . Dort heißt es wortwörtlich:
Zum Weiterlesen:
Fanny Jiménez: So funktioniert das schwierigste Brettspiel der Welt, Die Welt, 9. März 2016.
David Gosset: Weiqi versus Chess, The Huffington Post, 4. März 2016.
Lom Harshni Chauhan: Little emperors learning a brain game, The Hindu, 28. März 2016.
Beitragsbild von Ernle via Flickr.